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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ihrer Tasche das Handy klingelte, stand Rote Eins, ein Tablett mit Salat und einem Schinkensandwich sowie einer Flasche Wasser in der Hand, an der Treppe zu ihrem Keller. Sie hatte Rote Zwei, die sich dort unten vor jedermann verbarg, zugerufen, dass sie käme.
    Sie stellte das Tablett ab und holte das Handy aus der Tasche. »Ja? Jordan?«, meldete sich Karen.
    »Er war da, er stand da, er hat mich erwartet und mich dann verfolgt, denke ich jedenfalls, aber ich bin ihm entkommen. Hoffe ich …« Jordans Worte überschlugen sich und waren kaum zu verstehen, sie war völlig aufgelöst, so viel war deutlich.
    Das Mädchen verstummte und wusste nicht weiter.
    Die Ärztin übernahm und versuchte es mit Rationalität.
    »Was genau hast du gesehen?«
    »Ich war im Gesundheitszentrum. Sie haben mich zu dieser Seelenklempnerin geschickt, weil sie meinten, ich wäre traumatisiert, nachdem ich ihnen Sarahs Selbstmord gemeldet habe …«
    »Nur dass du natürlich wusstest …«
    »Klar, ich wusste natürlich, dass sie lebt, dass alles nach Plan lief, aber als ich rauskam, stand da ein Mann im Schatten, ich hab ihn gesehen, aber dann war er auf einmal verschwunden …«
    »Bist du sicher?«
    Rote Drei zögerte. Jordan war sich in keiner Sache mehr sicher. Angst, dessen war sie sich bewusst, stiftet Verwirrung. Sie war also nicht ganz aufrichtig.
    »Ich bin mir sicher, ziemlich sicher. Und er hat mich angesprochen. Ich habe gehört, wie er ›Rote Drei‹ zu mir sagte. Glaube ich jedenfalls.«
    »Woher konnte er wissen, dass du im Gesundheitszentrum warst?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht ist er mir davor schon gefolgt, und ich hab’s nicht gemerkt. Dann hat er eben einfach dort gewartet.«
    »Verstehe«, erwiderte Karen gedehnt.
    »Karen«, sagte Jordan plötzlich.
    »Ja?«
    »Ich fühle mich so allein.«
    Karen hätte ihr gerne etwas Beruhigendes gesagt, doch ihr fielen nicht die passenden Worte ein. Vielmehr schwirrte ihr der Kopf vor Ideen.
    »Du bist dir so sicher, wie man es nur sein kann, dass er es war?«
    »Ja, so sicher, wie man es nur sein kann.«
    »Du bist nicht allein. Wir drei stehen das zusammen durch«, sagte sie, auch wenn sie selbst nicht so recht daran glauben konnte. »Hör mal, Jordan, halte die Ohren steif. Ich ruf dich nachher zurück.« Sie trennte die Verbindung und sah Sarah an.
    »Schnapp dir deine Sachen«, sagte sie im Feldwebelton. »Uns bleiben ein paar Minuten. Der Böse Wolf hat gerade Jordan aufgelauert, das heißt, er schleicht im Moment nicht hier ums Haus. Wir müssen weg.«
    »Wie geht es ihr? Sollten wir nicht nach ihr sehen?«
    »Sie hatte Angst. Aber ich denke, sie packt das schon. Wir müssen uns an den Plan halten. Er kann nicht wissen, dass du am Leben bist. Wir müssen dich weiterhin verstecken, anders geht es nicht.«
    Sarah nickte. Sie besaß ohnehin nicht mehr als eine kleine Reisetasche mit ein paar Kleidern zum Wechseln, die Karen ihr geliehen hatte, Karens Comedy-Laptop und ein paar Blättern mit Informationen über eine tote Frau namens Cynthia Harrison. Außerdem befand sich darin der Revolver ihres toten Mannes. Diese Waffe war der einzige Gegenstand aus Sarah Locksleys früherem Leben, der ihr geblieben war.
    Beide Frauen waren nach dem dramatischen Ereignis an diesem Abend in höchste Alarmbereitschaft versetzt, und so stürzten sie aus dem Haus und rannten durch den Garten zu Karens Auto. Hektisch steckte Karen den Zündschlüssel ins Schloss und fuhr so schnell los, dass unter ihren Reifen Kies und Erde spritzten.
    »Sie rechnen jederzeit mit dir«, erklärte sie Sarah, »und selbst für den Fall, dass er Verdacht schöpfen sollte, hat er von jetzt an keine Möglichkeit mehr, nach dir zu suchen. Wenigstens du bist in Sicherheit, während wir beide tun werden, was zu tun ist.«
    Weder Rote Eins noch Rote Zwei glaubten voll und ganz an diese Behauptung. Bestenfalls, dachten sie beide, gab es in ihrem Leben kleine Nischen, die ein wenig Sicherheit boten.
    Mehr nicht.
     
    Die Haustür fiel mit einem dumpfen Schlag zu. Sie hörte, wie eine Jacke über einen Haken geworfen und Schuhe in den Wandschrank geschoben wurden.
    »Hi, Liebes, tut mir leid, dass ich ein bisschen spät dran bin.«
    »Kein Problem. Wir können in ein paar Minuten essen.«
    »Ich mach mir nur ein paar Notizen, bin gleich wieder da.«
    »Wie ist es gelaufen?«
    »Hätte nicht besser sein können, einfach unglaublich. Sie kam, so wie du gesagt hast, zu diesem Termin. Ich hab gesehen, wie sie reingegangen

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