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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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weiter kompliziert. Hätte sie einen klaren Kopf gehabt, dann hätte sie Sarah vorgeschlagen, es gleich mitzubringen, als sie ihren Selbstmord inszenierte. Doch so vorausschauend war Karen nicht gewesen, und jetzt musste sie das Versäumnis gutmachen.
    Sie hatte überlegt, ob sie einfach zur Haustür gehen und aufschließen sollte, egal ob der Wolf sie sah oder nicht. Doch das wäre kein Wagemut, sondern purer Leichtsinn gewesen. Besser heimlich, sagte sie sich, auch wenn sie es nicht begründen konnte.
    Es geht aufs Ende zu,
spürte sie. Und das machte jedes Manöver umso riskanter.
    Hintertür. Blumentopf. Ersatzschlüssel.
    Karen rappelte sich auf und lief gebückt wie ein Soldat, der dem feindlichen Kugelhagel ausweicht, zum Haus.
    An der Treppe zur Küche grub sie die Hände in die kalte Erde des Blumentopfs. Sie brauchte einige Sekunden, bis sie den Schlüssel gefunden, sauber gewischt und damit zur Tür hochgegangen war. In der Dunkelheit brauchte sie ein Weilchen, um ihn ins Schloss zu stecken, doch dann drehte sie ihn, hörte, wie das Riegelschloss aufschnappte, und stürzte ins Haus.
    Drinnen musste sie sich an die Schatten gewöhnen, die in allen Winkeln lauerten. Von nebenan und von einer Straßenlaterne drang ein wenig Licht herein, gerade mal genug, um verschiedene Schattierungen von Schwarz zu erkennen. Karen hatte vernünftigerweise eine Taschenlampe dabei, da sie nicht beabsichtigte, Licht zu machen, und so schlich sie wie eine Diebin durch den Flur und folgte dem nadeldünnen Strahl ihrer Stiftlampe, die sie im Halbkreis schwenkte.
    Sie wusste, dass sie nichts Falsches oder Unrechtes tat, doch im Haus herrschte ein abweisender, modriger Geruch, als störte sie die Totenruhe.
    Sie sah, wie das kümmerliche Licht in ihrer Hand zitterte. Sarah hatte ihr gesagt, wo sie suchen sollte, doch sie fühlte sich, als irrte sie durch eine unzugängliche Landschaft in einer fremdartigen Welt, als könnte sie mit dem kleinsten Geräusch die Geister wecken, die überall in den Ecken schlummerten.
    Karen zerrte sich den Rucksack von der Schulter und begann damit, einzusammeln, was sie brauchte. Sie ging von Zimmer zu Zimmer, mied aber, entsprechend Sarahs Bitte, das Arbeitszimmer des toten Ehemannes und das Zimmer der toten Tochter. Ein gerahmtes Bild aus der Diele, eines, das mit einem Magneten am Kühlschrank befestigt war; Fotos für eine Montage.
Es muss der Anschein erweckt werden, dass sie tot ist. Die Bilder müssen eine Zeit heraufbeschwören, als Sarah noch voller Zuversicht war. Auf den Kontrast kommt es an.
    Darauf hatten sie sich verständigt.
    Sie war fast fertig und suchte nur noch nach einem letzten Familienporträt, das, wie Sarah gesagt hatte, im Schlafzimmer an der Wand hing, als sie plötzlich ein Geräusch hörte, das von der Vorderseite des Hauses zu kommen schien.
    Sie konnte es nicht einordnen, etwas zwischen Scharren und Rascheln. Zuerst kam ihr der entsetzliche Gedanke, es wäre noch jemand im Haus.
    Nicht jemand. Er.
    Er wird mich hier töten.
    Doch das ergab keinen Sinn. Wenn überhaupt, dann hätte Sarah hier sterben müssen, schließlich war es ihr Zuhause. Aber auch das ergab keinen Sinn – als ob der Böse Wolf nicht morden würde, wo er wollte. Vielleicht war es ihm völlig egal, wo sie starben, Hauptsache, von seiner Hand.
    Karen erstarrte und blieb, nachdem sie ihre Stiftlampe ausgeknipst hatte, reglos stehen. Sie hatte das Gefühl, als hallte jeder ihrer stockenden, flachen Atemzüge wie ein Tosen durch die Nacht.
    Das Warten wurde zur Qual. Sie wusste nicht, ob sie sich unter dem Bett oder im Schrank verstecken oder sich einfach in einen dunklen Winkel kauern und den Tod erwarten sollte.
    Sie horchte.
Nichts.
    Deine Nerven spielen dir einen Streich.
    Sie holte das letzte Foto von der Wand und steckte es in den Rucksack. Als sie den Reißverschluss zuzog, dröhnte es ihr wie eine Kettensäge in den Ohren.
    Mit winzigen Schritten schlich sie in die Diele und spähte durch die Dunkelheit. Durch das Panoramafenster im Wohnzimmer konnte sie nach draußen sehen.
    Sie starrte angestrengt hinaus. Es kam ihr so vor, als ob die Schatten dort zu einer Gestalt verschmolzen. Die Gestalt nahm schwarze Konturen an, in denen Karen Arme, Beine, Rumpf und Kopf ausmachen konnte. Und ein Augenpaar, dessen glühender Blick sie durch das Fenster traf.
    Der Wolf.
    Sie wusste, dass sie sich das alles nur einbildete. Eine harmlose Sinnestäuschung. Andererseits wusste sie auch, dass Raubtiere die

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