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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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oder Schmuck?«
    Karen durchsuchte die Schubladen der Schlafzimmerkommode. Ihre bescheidene Kollektion an Ohrringen und Halsketten war unangetastet.
    »Fehlt nichts«, sagte sie und wusste, dass sie das eigentlich beruhigen sollte. Das Gegenteil war der Fall.
    »Glück gehabt. Schätze, das verdanken Sie dieser Alarmanlage.«
    Wer Glück gehabt hatte, fühlte sich anders.
    Karen inspizierte weiter das Haus. Irgendetwas stimmte trotz allem nicht, und sie brauchte einen Moment, bis ihr dämmerte, dass Martin und Lewis nirgends zu sehen waren.
    »Ich habe zwei Katzen …«, fing sie an.
    Der Polizist sah sich in alle Richtungen um. »Wenn Sie alleine leben, sollten Sie sich besser einen großen, scharfen Hund zulegen.«
    »Ich weiß. Aber sie sind nicht da«, erwiderte sie. »Es sind reine Hauskatzen, wissen Sie, die gehen nie raus.«
    Der Polizist zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich hatten sie genauso viel Schiss wie dieser Kerl und sind hinter ihm her zur Haustür rausgerannt. Schätze, die verstecken sich irgendwo in der Nähe im Gebüsch. Stellen Sie, wenn wir weg sind, einfach einen Napf mit Futter auf die Gartenterrasse. Sollen mal sehen, wie schnell die wieder da sind. Katzen kommen ziemlich gut allein zurecht, da machen Sie sich mal keine allzu großen Sorgen. Die lassen sich blicken, sobald sie Hunger haben oder es ihnen draußen zu kalt wird. Aber ich schreib’s für alle Fälle in meinen Bericht.«
    Karen dachte, dass sie nach Martin und Lewis rufen sollte. Doch sie wusste, sie würden nicht kommen.
    Nicht weil sie ihr nicht gehorcht hätten, sondern weil Karen absolut, hundertprozentig sicher war, dass sie nicht mehr am Leben waren.

[home]
    34
    D er Böse Wolf hielt ein dreiundzwanzig Zentimeter langes Jagdmesser in der flachen Hand. Es hatte ein überzeugendes Gewicht – nicht so schwer, dass es dadurch unhandlich wurde, aber schwer genug, um glatt durch Haut, Muskeln, Sehnen und sogar Knochen zu dringen. Er legte den Daumen auf die gezahnte Klinge, widerstand jedoch der Versuchung, über die rasiermesserscharfe Schneide zu streichen. Vielmehr fasste er die stumpfe Seite mit dem Zeigefinger und zog sie behutsam bis zur Spitze nach. Dann kratzte er an einer Stelle am Rand des Griffs ein wenig getrocknetes Blut ab, bevor er unter seinen Schreibtisch griff, eine Sprühflasche mit desinfizierendem Küchenreiniger hervorholte und die Flüssigkeit großzügig auf dem ganzen Messer verteilte, um es anschließend sorgfältig von allen Seiten trockenzuwischen und sämtliche Spuren von DNA zu entfernen.
    »Wir vermischen doch das Blut der Roten nicht mit dem von Katzen«, sagte er, wenn auch im Flüsterton, da er nicht wollte, dass Mrs. Böser Wolf irgendetwas mitbekam. Und sie hätte es ganz bestimmt nicht gutgeheißen, niedliche Miezekätzchen zu töten, selbst wenn er ihr klargemacht hätte, dass es für den Gesamtplan wichtig war.
    Sie hatten nicht einmal versucht, sich mit den Krallen gegen ihn zu wehren. Einen Moment lang spekulierte er, wie sie wohl hießen. Ein solches Detail hätte in die Recherchen über Rote Eins gehört. Er hasste Nachlässigkeiten.
    Dann grinste er.
Sie mag sich nicht ganz sicher sein, ob es hier um Mord geht, aber Katzen zu töten wäre ihr ein Greuel.
    Der Widerspruch war so komisch, dass er beinahe losgeprustet hätte. Er wechselte ein paarmal die Stellung auf seinem Drehstuhl, blickte abwechselnd auf das Messer und den Computerbildschirm und rief sich ins Gedächtnis:
Sei akribisch.
    Die Einzelheiten des Todes müssen Schritt für Schritt, wohldosiert, umsichtig und minutiös geplant werden. Ebenso wichtig ist die präzise Dokumentation. Deine Beschreibung muss absolut perfekt sein.
    »Vergiss nicht«, sagte er, »du bist auch Journalist.«
    Er saß in seinem Arbeitszimmer, umgeben von seinen Bildern, seinen Worten, seinen Plänen und seinen Büchern. Er war nicht nur in seiner vertrauten Welt, sondern schöpfte aus allem, was seit jenem ersten Brief an die drei Roten geschehen war, immense Kraft und Zuversicht.
    »Wir sind beim Endspiel angekommen«, sagte er laut und wandte sich jetzt an die drei Roten an der Wand. Er zielte mit der Messerspitze auf die Bilder.
    Am liebsten hätte er einen auf Muhammad Ali gemacht,
Ich bin der Größte!
gebrüllt und einen Siegestanz vollführt, doch er beherrschte sich, denn die letzte Runde stand noch aus.
    Der Böse Wolf schwang die Klinge noch einmal in der Luft und schlitzte imaginäre Kehlen durch, bevor er die Waffe wieder auf den

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