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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Schreibtisch legte. Dann stieß er sich leicht an der Tischkante ab und wandte sich dem Bücherregal zu. Er zog mehrere Bände heraus: John Gardner,
Wie man Romanschriftsteller wird,
Alice LaPlantes
Wie man eine Geschichte schreibt,
Stephen Kings
Das Leben und das Schreiben.
Er legte diese Bücher neben Strunk und Whites
Stilelemente,
die er immer griffbereit hatte. Er schmunzelte bei dem Gedanken, dass manche übergeschnappte Mörder zur Rechtfertigung und Inspiration für ihre Taten die Bibel oder den Koran zu Rate zogen.
Sie glauben, dass in jedem heiligen Wort eine Botschaft steckt, die nur für ihre Ohren bestimmt ist. Für Schriftsteller dagegen ist Strunk und White das Buch der Bücher. Mir ist John Gardner am liebsten, da seine Ratschläge so reflektiert sind, auch wenn er selbst ein wenig irre war. Vielleicht war er ja auch nur exzentrisch – er fuhr eine Harley-Davidson, lebte in der Einöde im Norden des Bundesstaats New York und trug sein Silberhaar schulterlang – und wirkte deshalb ein bisschen verrückt.
    So wie ich.
    Er legte das Messer zu den Büchern, als gehörten sie untrennbar zusammen.
    Dann schrieb er:
    Ein Messer ist als Mordwaffe zugleich eine gute und eine schlechte Wahl. Einerseits bietet es den engen Kontakt, der für das unmittelbare Erlebnis des Tötens unverzichtbar ist. Psychologen und Hobby-Freudianer glauben, es sei eine Art Penisersatz, doch das ist ein bisschen zu platt. Tatsächlich aber schafft es beim Mord diese einmalige Intimität, so dass es im letzten Moment zwischen Mörder und Opfer – dem Nektar, den wir trinken – keinerlei Barriere mehr gibt. Die Verbindung, die es zwischen uns schafft, ist stärker als die zwischen Lebenspartnern oder Zwillingen oder einem Liebespaar.
    Zugleich ist es natürlich eine ziemliche Schweinerei.
    Blut ist das, wonach sich der Mörder einerseits sehnt und was ihm andererseits zum Verhängnis werden kann. Es spritzt in alle Richtungen. Es strömt sehr schnell. Es sickert an Stellen, wo man es nicht brauchen kann – in die Schuhsohlen zum Beispiel oder die Manschetten an den Ärmeln –, und es hinterlässt winzig kleine Andenken an den Moment des Tötens, die irgendeine trübe Tasse bei der Polizei auch noch zu einem späteren Zeitpunkt unter dem Mikroskop finden kann. Insofern ist es die gefährlichste Substanz, mit der man in Berührung kommen kann.
    Zu den besten Theorien über die berüchtigten Morde von Fall River, die Lizzie Borden 1892 verübte – »Lizzie Borden griff zur Axt und hieb vierzig Mal auf ihre Mutter ein … als sie sah, was sie getan hatte, noch einundvierzig Mal auf ihren Vater« –, gehört die These, dass sie sich nackt auszog, bevor sie ihre Eltern ermordete, anschließend ein Bad nahm und sich ankleidete, so dass die Polizei, als sie auf dem Plan erschien, nichts Belastendes gegen sie fand.
    Außer natürlich den zwei Leichen im Haus.
    Du kannst nichts von einem Tatort mitnehmen, ohne ein Risiko einzugehen – egal ob es sich um ein Kleidungsstück oder eine Haarsträhne handelt –, und du musst dir jede Sekunde darüber im Klaren sein, dass dich dieser Gegenstand irgendwann überführen könnte.
    Er hielt einen Moment inne, und seine Finger schwebten über der Tastatur. Ich bin nicht wie so viele primitive Mörder, dachte er, ich brauche kein blutrünstiges Souvenir. Ich habe meine Erinnerungen und all diese ausführlichen Zeitungsartikel – im gewissen Sinne Rezensionen über meine Arbeit. Gute Rezensionen. Positive Rezensionen. Hymnische, höchst erfreuliche Rezensionen. Fünf-Sterne-Rezensionen. Er beugte sich wieder zum Schreiben vor.
    Natürlich hat das Risiko immer seinen Reiz. Ein echter Mörder muss verstehen, wie süchtig seine Seele danach wird. Er darf das weder ignorieren, noch darf er ihm verfallen.
    Kalkuliertes Risiko ist die Lösung.
    Auf die richtige Balance kommt es an. Jemanden mit einer Schusswaffe zu töten, meinetwegen auch archaisch mit Pfeil und Bogen, schafft eine Distanz zum Opfer, die die Gefahr verringert, sich durch ein noch so unscheinbares Indiz zu verraten, doch bei dieser Variante gibt es durchaus andere Fallen, in die man tappen kann. Hast du die Schusswaffe gestohlen? Sind deine Fingerabdrücke an den Patronenhülsen? Meine Abneigung gegen Handfeuerwaffen hat allerdings einen anderen Grund; ich brauche die Tuchfühlung. Jeder Schritt, den du dich von deiner Roten entfernst, vermindert die emotionale Intensität. Und dass dich ein sorgfältig vorbereiteter Mord

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