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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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hinterlassen hatte, nicht einmal die Ausdünstung ihrer Angst. Es lag ein herber Geruch in der Wohnung, wie ein Hauch von beißendem Rauch. Sie schärfte sich ein, ebenso unbemerkt und leise hinauszukommen, wie sie eingedrungen war.
    Dass dich ja keiner sieht, Jordan, flüsterte sie sich innerlich zu.
    Mach dich unsichtbar.
    Für einen winzigen Augenblick konnte sie der Situation sogar etwas Komisches abgewinnen. Sie war eingebrochen und verhielt sich wie ein Dieb, beging einen derart schwerwiegenden Verstoß gegen die Schulvorschriften, dass sie, käme die Sache heraus, augenblicklich von der Schule fliegen würde. Dabei hatte sie nichts weiter gestohlen als eine kleine Auskunft. Die allerdings mochte bedeutsamer sein als alles, was sie je in Händen gehalten hatte. Was sie gestohlen hatte, war entweder völlig wertlos oder unbezahlbar.
    Sie schlich auf Zehenspitzen durchs Zimmer und legte das Ohr an die Tür. Sie hörte nichts. Wie ein Taucher, der sich ins schwarze Wasser stürzt, atmete sie einmal tief ein und drehte ganz langsam den Knauf. Seltsamerweise wünschte sie sich in diesem Moment, sie hätte ihr Filetiermesser mitgenommen. Sie beschloss, es von jetzt an immer griffbereit zu haben.
     
    Inzwischen coverte die Band
She’s So Cold
von den Rolling Stones – eine passable Imitation von Mick, Keith und den Übrigen, bis hin zu den schmachtenden Bitten des Leadsängers. Die Gruppe hatte sich im größten Raum der Kunstgalerie in eine Ecke gezwängt. Gewöhnlich wurden hier Schüler-, Lehrer- und Alumniarbeiten ausgestellt, doch der weitläufige Bereich ließ sich leicht in einen Tanzboden umfunktionieren. Jemand hatte eine Deckenlampe durch eine riesige Silberkugel ersetzt, von der Lichtblitze in die dichte Schar der Tänzer zuckten. Die Musik hallte von den Wänden wider; die Schüler drehten sich zu den Rhythmen oder rückten in einzelnen Trauben eng zusammen und versuchten sich trotz der ohrenbetäubenden Musik durch Zurufe zu verständigen. Es war heiß und laut. An der Wand stand ein Tisch, an dem zwei jüngere Lehrkräfte Plastikbecher mit verwässertem rotem Punsch austeilten. Ein paar andere Lehrer standen am Rande und warfen ein wachsames Auge auf die Schüler, um dafür zu sorgen, dass sich keine Paare heimlich Hand in Hand verdrückten, weil sie ihre eigenen Vorstellungen davon hatten, was sie mit dem Rest des Abends anfangen wollten. Die Lehrer standen auf verlorenem Posten. Jordan wusste, dass die Hitze im Raum unweigerlich zu intimem Kontakt führen würde. Irgendjemand ist morgen früh nicht mehr Jungfrau, dachte sie.
    Drei Mal hatte sie sich mit Ellbogen diagonal durch die Horde kreisender, tanzender Schüler gekämpft, wobei sie ein, zwei Mal selbst die Hüften geschwungen und mitgetanzt hatte, um unter den Partygästen nicht aufzufallen. Stets hatte sie dabei die Ausgänge und die Lehrer im Visier, die sich dazwischenwarfen, wenn zwei Schüler einen ruhigen, dunklen Schlupfwinkel suchten.
    Jordan hatte genügend Erfahrung mit diesen Tanzabenden, um die üblichen Abläufe zu kennen. Die Lehrer würden ein Paar entdecken, das versuchte, zusammen zu verschwinden. Oder sie durchschauten, dass die Zehntklässlerin, die auf der rechten Seite frische Luft schnappen wollte, sich draußen mit dem Zwölftklässler treffen würde, der nach links verschwand.
    Sie wartete auf einen günstigen Moment. Als sie sah, wie ein Pärchen versuchte, einen Abgang zu machen, begab sie sich unauffällig hinter die beiden. Sie wusste, was jetzt folgen würde.
    »Wo soll’s denn hingehen, ihr zwei?«, kam prompt die Frage eines Lehrers.
    Immerhin waren die beiden so geistesgegenwärtig, nicht länger Händchen zu halten. Kleinlaut und verlegen behaupteten sie, sie hätten nichts Unerlaubtes im Sinn, sie hätten doch gar nichts gemacht und keine Ahnung, was ihnen der Lehrer unterstellte.
    In diesem Moment schlüpfte Jordan zur Tür hinaus.
    Sie lief zügig durch den Flur. Mit jedem Schritt wurde die Musik hinter ihr leiser. Am Ende des Gangs blieb sie stehen. Rechts von ihr war eine Treppe, links ein weiterer Flur, der zu den Toiletten führte. Vor den Toiletten wachte jemand vom Personal, ein zu offensichtlicher Ort, um zu fummeln, sich eine Pille einzuwerfen oder Kokain zu schnupfen. Die Jugendlichen, die den Tanzabend zu einem Joint nutzen wollten, waren ausnahmslos so klug, nach draußen zu gehen, damit die trainierten Spürnasen der Lehrer nicht den verräterischen Duft der Droge an ihnen rochen.
    Die Treppe

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