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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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dich nicht, wenn ich nach Hause komme.«
    »Kannst du ruhig, kein Problem«, antwortete sie.
    Was konnte alltäglicher, normaler sein als der Wortwechsel zwischen dem Bösen Wolf und seiner Frau, der sich so oder so ähnlich jeden Tag millionenfach abspielte.
    »Hier«, fügte der Böse Wolf hinzu. »Nimm meine Schlüssel, für den Fall, dass der Kerl vom Automobilclub den Motor anlassen muss.«
    Ohne weiter darüber nachzudenken, reichte er den Schlüsselbund seiner Frau und setzte sich ans Steuer ihres kleinen Wagens. Auf dem Weg aus der Einfahrt winkte er ihr noch einmal fröhlich zu.

[home]
    21
    M rs. Böser Wolf stand auf der bescheidenen, kleinen Vorstadtstraße und sah ihrem Wagen nach. Bevor das Fahrzeug in der letzten Abenddämmerung um die Ecke bog, leuchteten einen Moment die Bremslichter auf. Als es aus ihrem Blickfeld verschwand, hob sie die Hand und winkte ihm scheu hinterher, auch wenn sie wusste, dass ihr Mann sich nicht noch einmal zu ihr umsehen würde. Sie freute sich, dass er – mit ihrer Hilfe – nun doch fahren konnte. Mit einem Seufzer kehrte sie ins Haus zurück, ging sofort in die Küche und rief pflichtbewusst den Automobilclub an, so wie sie es ihm versprochen hatte. Von der Zentrale erfuhr sie, dass ein Abschleppwagen mit einem Mechaniker, der den Reifen wechseln konnte, in etwa dreißig bis vierzig Minuten eintreffen würde. Sie legte auf. Im Wohnzimmer lief bereits der Fernseher. Sie hörte das Konservenlachen und die vertrauten Stimmen einer Sitcom. Sie legte die Autoschlüssel auf die Arbeitsplatte und wollte gerade den Figuren aus
Dunder Mifflin
oder der
Big Bang Theory
Gesellschaft leisten, als sie abrupt stehen blieb. Sie drehte sich zur Arbeitsplatte um, wo das Schlüsselbund lag.
    Ein schwarzer elektronischer Autoschlüssel mit rotem Alarmmelder. Der Hausschlüssel an einem separaten Ring. Den kannte sie. Daneben ein dritter Schlüssel.
    Der zum Arbeitszimmer ihres Mannes.
    Sie starrte auf diesen Schlüssel und machte sich bewusst, dass sie ihn noch kein einziges Mal in Händen gehalten hatte. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, ihn überhaupt je gesehen zu haben, außer vielleicht für einen flüchtigen Moment, wenn ihr Mann gerade aus seinem Büro kam. Im ganzen Haus gab es keine weitere Tür mit einem solch stabilen Schloss, dieser Schlüssel konnte nur zu jener besonderen Tür gehören. Vielleicht hatte er einen Ersatzschlüssel irgendwo im hintersten Winkel einer Schublade versteckt oder hinter einen Spiegel geklebt, doch sie hatte nicht die geringste Ahnung, wo.
    Trotz ihrer anhaltenden Neugier, was genau in diesem Zimmer vor sich ging, wenn er an der Arbeit saß, hatte sie nie nach dem Schlüssel gesucht. Mehrfach blickte sie zwischen Schlüsselbund und Bürotür hin und her, als folgte sie dem Ball bei einem Tennismatch. Es war nichts Besonderes an diesem Schlüssel – ein unscheinbares Ding aus silbern schimmerndem Metall, passend zu dem Riegelschloss, das ihr Mann bereits eine Woche nach ihrer Hochzeit angebracht hatte.
    »Das Zimmer, in dem ich schreibe, muss ich ganz für mich haben«, hatte er ihr erklärt.
    Damals, vor fünfzehn Jahren, besonders in den ersten aufregenden Wochen ihrer Ehe, hatte ihr diese beiläufige, sachliche Bemerkung vollkommen eingeleuchtet. Was war schon dabei, wenn er absolut ungestört sein wollte, um Handlungsstränge, Szenen und Charaktere zu erfinden?
    Sie sah ihn noch vor sich, wie er, einen Bohrer und Metallteile neben sich auf dem Boden ausgebreitet, vor dieser Tür kniete – ein Heimwerker der Heimlichkeiten. Es hatte ihr nicht das Geringste ausgemacht. Schließlich behalten wir alle das eine oder andere für uns, dachte sie, als sie sich an jene ersten berauschenden Tage erinnerte.
    Nur dass ihr, als sie in diesem Moment auf den Schlüssel zu seinem Arbeitszimmer starrte, auf Anhieb kein einziges Geheimnis einfiel, das sie selbst vor ihm bewahrte. Dann sagte sie sich wiederum: Mach dir nichts vor, natürlich sagst du ihm nicht alles. Zum Beispiel, als es dir so schlechtging und du dachtest, du würdest es nicht überleben, da hast du ihm verschwiegen, welche Angst du hattest und was für Schmerzen. Waren das etwa keine Geheimnisse?
    Nur dass er es auch so die ganze Zeit gewusst hatte. Doch jetzt kamen ihr Bedenken. Wirklich?
    Auf jeden Fall! Sie wischte vehement jeden Zweifel vom Tisch. Weißt du nicht mehr, wie fürsorglich er war? Wie besorgt? Weißt du nicht mehr, wie er dir ins Krankenhaus Blumen mitgebracht hat? Wie

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