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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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dass sie nichts durcheinanderbrachte, was verriet, dass sie heimlich hier eingedrungen war. Verschwinde aus diesem Zimmer, und alles wird wieder so sein wie noch vor ein paar Minuten, redete sie sich gut zu. Doch in dem Moment fiel ihr Blick auf ein großes, in rotes Leder gebundenes Album, das die Taschenbuchausgaben der Romane ihres Mannes sowie populärer Sachbücher zu spektakulären Verbrechen in der jüngeren Kriminalgeschichte, mit denen es das Regalfach teilte, überragte.
    Genau das gleiche Album hatte sie auf ihrem Schreibtisch liegen. Ihres enthielt Hochzeitsfotos und eine Einladungskarte zu dem bescheidenen Empfang in dem kleinen Country-Club, einschließlich der Speisenfolge ihres Dinners. Auf einmal entsann sie sich, wie ihr Mann auf der kurzen Hochzeitsreise die beiden Alben in einem Lederwarengeschäft erstanden hatte. Eins hatte er ihr geschenkt, das andere selbst behalten.
    Fotos von unserer Hochzeit.
    Zwischen Hoffen und Bangen fühlte sie sich davon angezogen.
    Sie sah, wie ihre Hand nach dem Album ihres Mannes griff, war sich aber einen Moment lang nicht sicher, ob es ihre eigene Hand war.
    Das Album fiel vor ihren Augen auf.
    Der erste Blick war beruhigend. Zwar keine Fotos von ihrer Hochzeit, stattdessen eine Sammlung von Zeitungskritiken. Sicher, dachte sie, warum nicht? Vollkommen logisch. Sie atmete langsam aus.
    Dann sah sie etwas genauer hin. Zwischen den Kritiken entdeckte sie seltsame Zeitungsausschnitte über aufsehenerregende Morde.
    Sie wollte erneut die Achseln zucken – auch das war nur natürlich.
    Schließlich muss er recherchieren.
    Doch diese Artikel schienen dafür nicht viel herzugeben. Sie konnte zwischen den Buchbesprechungen und den scheinbar wahllos zusammengewürfelten Morden keine Verbindung erkennen. Es muss aber eine geben, du siehst sie nur nicht, beharrte sie. Sie überflog ein paar grausige Schlagzeilen in großen Lettern über körnigen Fotos von Streifenwagen. Namen und Daten sprangen ihr ins Auge. Noch einmal schloss sie für Sekunden die Lider. Als sie wagte, sie wieder zu öffnen, fürchtete sie, dass ihr die Tränen in die Augen steigen würden.
    Es war ein wenig, als starrte sie auf eine Darstellung, die sich in einem dieser vielfarbigen Kunstwerke aus geometrischen Formen und Mustern verbarg, wie sie in den 1980 er Jahren so populär gewesen waren. Ein Trompe-l’Œil. Vor ihren Augen versteckte sich irgendein Bild, auch wenn sie es im Moment noch nicht erkennen konnte.
    Vor vielen Jahren hatte Mrs. Böser Wolf sich ab und zu eine rasante, unbekümmerte Fahrweise erlaubt. Das war lange her, doch genau so fühlte sie sich jetzt – außer Kontrolle, mit ausbrechendem Heck und Reifen, die beängstigend auf dem nassen Straßenbelag quietschten. Sie griff nach einer leeren Karteikarte und einem Bleistift, die sie auf dem Schreibtisch ihres Mannes fand, und notierte sich rasch die Daten und Ortsangaben sowie die Namen der Opfer, die ihr aus den Schlagzeilen entgegensprangen. Die Karte steckte sie sich in den Ausschnitt ihrer Bluse, wo sie sich so klamm wie die Berührung mit etwas Totem anfühlte.
    Ihr war speiübel.
    Wenngleich sich ihr im Kopf alles drehte und die Hände zitterten, schob sie das Album wieder in die Lücke im Regal. Den Bleistift legte sie genau an dieselbe Stelle auf dem Schreibtisch zurück. Sie sah sich noch einmal um, weil sie plötzlich Angst hatte, etwas berührt oder verlegt und damit eine verräterische Spur hinterlassen zu haben. Einen Moment lang überkam sie bei dem Gedanken, dass der Duft ihres Parfüms in diesem geschlossenen kleinen Raum noch länger in der Luft hängen mochte, eine Woge der Panik. Auf dem Rückzug zur Tür wedelte sie wild mit den Händen, um jeden Geruch zu zerstreuen.
    Sie warf einen letzten Blick auf den Raum und prägte sich das Bild mit allen Einzelheiten ein, bevor sie das Licht ausknipste und die Tür hinter sich zuzog. Unbeholfen mühte sie sich mit dem Schloss ab, als sie von einem lauten, durchdringenden Geräusch irgendwo in der Nähe, doch wie aus einer anderen Welt so heftig erschrak, dass sie beinahe in Ohnmacht fiel.
    Sie schnappte nach Luft. Wie unter Strom zuckte sie zusammen. Sie ließ die Schlüssel fallen und taumelte zurück, als hätte ein Schuss oder ein Schlag sie ins Gesicht getroffen. Im letzten Moment hielt sie sich an der Arbeitsplatte fest. Ihr stand der Schweiß auf der Stirn, und sie stieß einen leisen, gurgelnden Laut aus.
    Das Geräusch ertönte noch einmal.
    Eine laute

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