Der Wolf aus den Highlands
sie sich nicht öffnen, doch als ihr einfiel, warum sie solche Schmerzen hatte, wunderte sie sich, dass ihre Augen überhaupt aufgingen. Ein gut geschnittenes Gesicht mit verschiedenfarbigen, jedoch sehr schönen Augen tauchte in ihrem Blickfeld auf.
»Tormand Murray?«, fragte sie, weil ihr einfiel, was James über die Augen seines Bruders gesagt hatte. Es gab bestimmt nicht noch einen Mann im Dorf, der ein grünes und ein blaues Auge hatte.
»Aye, und Ihr seid wohl James’ Annora«, sagte er.
»Oh, das klingt schön!« Wie töricht von ihr, so etwas zu sagen. Sie errötete, als er grinste. »Wie lange war ich bewusstlos?«
»Fünf Stunden.«
»Nay!«, schrie sie erschrocken auf, denn sie fürchtete, dass sie nun die Gelegenheit verpasst hatten, James zu helfen. »Warum habt Ihr mich nicht früher geweckt?«
»Wir haben es mehrmals versucht, doch dann haben wir beschlossen, ein paar Vorkehrungen zu treffen, während Ihr Euch ausruht.« Er legte den Arm um sie und half ihr, sich aufzurichten. »Jetzt sind wir bereit, uns von Euch zu James führen zu lassen. Wenn Ihr nicht ein wenig geruht hättet, hättet Ihr das wahrscheinlich nicht tun können.«
»Es wundert mich, dass Ihr es bis ins Dorf geschafft habt«, sagte der Mann, der auf der anderen Seite ihres Bettes stand. Er verbeugte sich leicht. »Sir Simon Innes, Mistress. Zu Euren Diensten.«
»Ihr seid nur zu zweit?«, fragte sie, als Ida Tormand zur Seite schob und Annora half, ein wenig Met zu sich zu nehmen.
»Nay. Während Ihr geruht habt, haben wir ein paar Leute zusammengetrommelt«, erwiderte Simon. »Es war nicht schwer, Männer zu finden, die es kaum erwarten können, Dunncraig von Eurem Cousin zu befreien. War er es, der Euch so übel zugerichtet hat?«
Sir Innes schien ziemlich bestürzt wegen ihrer Blessuren. Annora wertete das als gutes Zeichen. James hatte ihr zwar versichert, dass er vertrauenswürdig war, aber im Moment war sie bei allen wachsam. Leider blieb ihr wenig Zeit zu überlegen, wem sie vertrauen konnte, denn James hatte einfach keine Zeit.
»Nay, er hat seinem Ersten Mann Egan den Vortritt gelassen«, erwiderte sie. »Egan hat es kaum erwarten können, sich auf mich zu stürzen, weil James ihn ziemlich verprügelt hat, bevor wir aus Dunncraig geflohen sind. Hat Donnell inzwischen ein paar MacLarens getötet? Das hatte er nämlich vor, als er mich zurückließ.«
Tormand schüttelte den Kopf. »Nay, sie sind ihm entwischt. Doch ein paar sind wieder zurückgeschlichen. Simon meinte, einige gut ausgebildete Krieger könnten nicht schaden. Solche Leute werden wir jedenfalls brauchen, wenn wir Dunncraig zurückerobern wollen.«
»Selbstverständlich, und die MacLarens helfen euch bestimmt gern. Donnell hat alle Männer, die treu zu James hielten, aus Dunncraig beseitigt. Also – wann soll ich Euch nach Dunncraig Keep führen?«
»In einer Stunde.«
Annora sank zurück auf die Kissen, die Ida ihr in den Rücken gestopft hatte. »Reicht mir bitte noch einmal ein feuchtes Tuch für meine Augen. Dann kann ich klarer sehen, wohin ich gehe, wenn es Zeit zum Aufbruch ist.«
»Glaubt Ihr, eine Stunde wird Euch genügen?«, fragte Tormand und gab ihr das Tuch.
»Aye, auch wenn Ihr nicht erwarten dürft, dass ich mehr tue, als mich irgendwo in eine Ecke zu verdrücken, sobald ich Euch in den Keep gebracht habe.«
»Ich werde persönlich dafür sorgen, dass Ihr ein sicheres Fleckchen findet.«
Sie legte das Tuch über ihre Augen und seufzte erleichtert auf, denn es tat ihr sehr gut. Dann hörte sie, wie die Tür leise zuging. »Ida?«
»Ich bin noch da. Jetzt ruht Euch aus, Mädchen. Ihr werdet alle Eure Kräfte bitter nötig haben, um die nächsten Stunden zu überstehen.«
»Diesmal werden wir gewinnen, nicht wahr, Ida?«
»Oh ja, daran hege ich nicht die geringsten Zweifel.«
»Ich kann es kaum glauben, dass sie in der Lage war, sich hochzurappeln, geschweige denn, dass sie den ganzen Weg auf der Suche nach uns gelaufen ist«, sagte Tormand, sobald sie Simons Schlafkammer betreten hatten.
Simon schenkte zwei Pokale Ale ein und reichte Tormand einen. »Man würde ihr diese Kraft kaum zutrauen, aber es hat sie bestimmt sehr mitgenommen. Selbst ihr Brustkorb ist verbunden, was wohl heißt, dass ihre Rippen übel geprellt, wenn nicht sogar gebrochen sind. Schon das Atmen ist dann die reine Qual.«
»Also befürchtest du jetzt nicht mehr, dass man ihr nicht vertrauen kann?«
»Nay, aber nicht deshalb, weil sie so
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