Der Wolf aus den Highlands
vielleicht klappt es ja dann.«
Diese Männer würden wohl von Glück sagen können, wenn sie bei der nächsten Mahlzeit nicht vergiftet würden, dachte Annora. »Pass auf Meggie auf, Big Marta. Sie ist bestimmt völlig verängstigt, und womöglich versucht Donnell sogar, ihr etwas anzutun, wenn er merkt, dass er kurz davor steht, alles zu verlieren.«
»Dem Kind wird nichts passieren, das schwöre ich Euch. Es reicht, wenn Ihr Euch um Euch selbst sorgt.«
Annora hätte beinahe genickt, doch dann befürchtete sie, dass sie schon bei der kleinsten Bewegung ihres schmerzenden Kopfes in die ständig drohende Ohnmacht sinken könnte. Stattdessen konzentrierte sie sich wieder darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Mit der Zeit wurden ihre Schritte ein wenig fester, doch sie kam nicht sehr schnell voran. Sie fürchtete, dass sie wie eine gebeugte Alte aussah, doch ihr Äußeres gehörte im Moment wahrhaftig zu ihren geringsten Sorgen.
Am Dorfrand angekommen, spürte sie, dass sie jemand am Arm nahm. Sie blickte hoch zu der Person, die jetzt neben ihr ging. »Ida, es ist im Moment sehr gefährlich, mit mir gesehen zu werden.«
»Es ist im Moment gefährlich, in Dunncraig zu leben«, erwiderte Ida. »Ich weiß nicht, wohin Ihr unterwegs seid, aber ich konnte es nicht ertragen zu sehen, wie Ihr Euch mühsam weiterschleppt und ausseht, als ob Ihr gleich zusammenbrecht. Wohin wollt Ihr überhaupt?«
»Ins Gasthaus. Zu James’ Bruder und diesem Sir Simon Innes.«
»Nun, da habt Ihr Glück, denn die beiden sind soeben zurückgekehrt. Sie haben gehört, was passiert ist, und ich glaube, sie schmieden Pläne, auch wenn ich nicht weiß, was sie vorhaben. Selbst jetzt, wo die meisten Krieger in der Gegend herumgaloppieren und nach dem Blut der MacLarens dürsten, wird es schwer sein, den Laird aus seinen Ketten zu befreien.«
»Nay, es wird nicht leicht werden. Big Marta hat mir gesagt, dass ihn sechs stämmige Kerle bewachen, und keiner weiß, wann Donnell und seine Männer wieder zurück sind. Sie können nicht einfach in den Keep stürmen und James befreien, da müssen sie sich schon etwas Schlaueres einfallen lassen. Ich hoffe nur, dass dieser Simon und der Bruder von James schlaue Burschen sind.«
»Oh ja, Mädchen, das sind sie. Schließlich sitzen sie schon tagelang direkt unter MacKays großer Nase, und er hat noch nichts davon mitbekommen.«
Das verlieh Annora die Hoffnung, die sie brauchte, als sie die Treppe im Gastaus erblickte und spürte, wie jede ihrer Blessuren allein bei dem Gedanken, die Stufen zu erklimmen, protestierend schmerzte. Doch dann legte Ida einen starken Arm um ihre Taille, und Annora machte sich auf den Weg. Bei jedem Schritt schickten ihre geprellten Rippen Stiche durch ihren ganzen Körper. Ohne Idas Hilfe hätte sie es nie bis ins Obergeschoss geschafft, und sie vermutete, dass die arme Ida sie mehr oder weniger bis nach oben getragen hatte. Sie ließ sie auch nicht los, als sie gleich an die erste Tür klopfte.
Ein großer Mann öffnete und fragte: »Was ist los, Ida?« Ein übler Fluch entfuhr dem Mann, und dann spürte Annora, wie sich ein starker Arm um ihre Schultern legte. »Wer ist diese Frau, und warum hast du sie hierhergebracht?«
»Das ist Annora MacKay, Sir Innes«, erwiderte Ida.
Ein weiterer großer Mann tauchte an der Schwelle auf, und Annora fragte: »Tormand Murray?«
»Der bin ich. Mein Gott, was ist Euch zugestoßen?«
»Man hat mir ein paar Fragen gestellt zu dem Versuch Eures Bruders, aus Dunncraig zu fliehen.«
»Warum habt Ihr Euch hierher geschleppt? Ihr solltet das Bett hüten.«
»Später. Ist der Mann des Königs bereit, James über das Sammeln von Informationen hinaus zu helfen?«
»Jawohl, das ist er«, ließ der im Dunkeln stehende Mann verlauten, den Ida mit Sir Innes angesprochen hatte.
»Gut, denn ich kann Euch nach Dunncraig führen, damit Ihr James herausholt, bevor Donnell ihn in kleine Stücke hackt, nur um seinen Spaß zu haben.« Sie spürte, wie ihr die Knie weich wurden. »Allerdings fürchte ich, dass das noch ein Weilchen warten muss.«
Das Letzte, was Annora hörte, war eine tiefe Stimme, die leise fluchte und dann befahl: »Haltet sie gut fest. Sie braucht wahrhaftig nicht noch mehr Prellungen.«
18
Das Erste, was Annora wahrnahm, als sie wieder zu sich kam, waren Schmerzen. Dann spürte sie ein kühles feuchtes Tuch auf ihrem Gesicht, das ihr ein wenig Linderung verschaffte. Vorsichtig schlug sie die Augen auf. Weit ließen
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