Der Wolf aus den Highlands
ich wünschte, das Schicksal hätte jemand anders dafür gewählt. Das Schicksal ist ein grausamer Herr, wenn es mich an einen Ort zum Helfen schickt und mich dann in diejenigen verlieben lässt, denen ich geholfen habe, nur um mich wieder von ihnen zu trennen.«
Auf einmal richtete sich Mungo auf, sprang vom Bett und tappte zur Tür. Dort saß er und starrte sie an, miaute aber nicht laut wie sonst, wenn er hinauswollte. Sie würde ihren Kater vermissen, dachte sie, als sie aufstand und zur Tür ging. Er war auf Dunncraig ihr engster Freund gewesen, da Donnell ihr nicht erlaubt hatte, Freundschaften zu schließen.
»Und jetzt, wo ich die Chance habe, Freundschaften zu schließen und mich hier richtig einzurichten, muss ich gehen«, murrte sie und öffnete die Tür.
»Und warum, glaubst du, musst du gehen?«
22
Einen Herzschlag lang erwog Annora, James die Tür vor der Nase zuzuschlagen und zu verriegeln. Offenbar las er diesen Gedanken in ihrer Miene, denn er schob sie sanft, jedoch bestimmt zurück.
Dann ließ er Mungo hinaus und verriegelte die Tür eigenhändig. Nun stand er in ihrer Kammer, genau dort, wo sie ihn nicht haben wollte. Es war gefährlich für ihr Herz und ihren Seelenfrieden, mit diesem Mann allein zu sein – vor allem in einer Schlafkammer.
Und vor allem, weil er ausgesprochen gut aussah, dachte sie. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn gründlich von oben bis unten zu betrachten. Sie versuchte zwar, sich einzureden, sie wolle sich ja nur vergewissern, dass er gesund genug sei, um vor ihr zu stehen und sie mit gerunzelter Stirn anzusehen, doch im Grunde musste sie über diese faustdicke Lüge fast lachen. Mit seinem goldroten Haar und seinen schönen Kleidern sah er genauso aus wie das, was er war – ein richtiger Laird, bereit, die Herrschaft über sein Land zu übernehmen und mithilfe von Freunden und Verbündeten zur Macht zu kommen.
Und zu einer guten Heirat, dachte sie und wandte sich hastig ab. Auf einmal quälte sie sein Anblick, denn er machte ihr nur deutlich, wie fern sie einander waren. Sie hatte sich in den letzten Tagen nach Kräften von ihm ferngehalten in der Hoffnung, dass dies ihr Leid lindern würde, wenn sie ihn endgültig verlassen musste. Doch als sie ihn nun vor sich stehen sah, wusste sie, dass das töricht gewesen war. Er war ein Teil von ihr; ihm aus dem Weg zu gehen, änderte daran rein gar nichts.
Als sie seine Hände auf den Schultern spürte, verspannte sie sich. Sie hoffte nur, dass er nicht versuchen würde, mit ihr zu schlafen. Den Geschmack all dessen zu bekommen, wonach sie sich so verzehrte, und gleichzeitig zu wissen, dass sie ihn nie für sich würde beanspruchen können, wäre so qualvoll, dass sie gar nicht weiter darüber nachdenken wollte.
»Annora, was ist los?«
James drehte ihren steifen Körper zu sich und schloss sie in die Arme. Sie blieb steif, auch als er sie festhielt und ihr zärtlich über den schlanken Rücken streichelte.
Er bekam Angst, dass sie ihn bereits aus ihrem Herzen verbannt hatte, obwohl er nicht recht wusste, warum sie das hätte tun sollen.
»Ich bin froh, dass du wieder ganz gesund bist«, sagte Annora schließlich und widerstand der Versuchung, sich an ihn zu schmiegen und tief seinen sauberen, frischen Duft einzuatmen.
»Das fällt mir schwer zu glauben, wenn du steif wie ein Brett vor mir stehst«, erwiderte er gedehnt. »Aber wenn du es sagst, dann muss ich es wohl glauben, aye?«
Sie versuchte verzweifelt, seine Gefühle abzuwehren, doch es gelang ihr nicht. Er war verwirrt, verzagt und unruhig. Annoras Augen wurden ein wenig größer, als sie noch etwas anderes spürte: Er hatte Angst, und in ihm wuchs ein Schmerz, gegen den er sich nach Kräften sträubte. In ihrem Herzen regte sich ein Funke Hoffnung, von dem sie sich freilich nicht verführen lassen wollte. Dennoch wiesen die Gefühle, die sie in ihm spürte, auf mehr hin als nur auf Verlangen und Achtung.
»Aye«, flüsterte sie und entspannte sich ein wenig. »Glaub es mir.«
Er lehnte sich zurück und umfasste ihr Gesicht, um ihr in die Augen zu sehen. Dass sie die Arme um seine Taille gelegt hatte und nicht von ihm wich, linderte sein Unbehagen ein wenig. Der Kummer und die Verwirrung in ihren Augen sagten ihm jedoch, dass ihm ein schwerer Kampf bevorstand. Da er nicht wusste, was diese Gefühle in ihr ausgelöst hatte, wusste er auch nicht, was er tun oder sagen sollte, um diesen bekümmerten, verwirrten Blick aus ihren wunderschönen
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