Der Wolf aus den Highlands
MacKay einen sehnsüchtigen Blick zuwarf. Also wandte er sich schnaubend ab und ging in seine Werkstatt.
»Sie ist eine MacKay«, knurrte er.
Big Marta fauchte abfällig hinter ihm. »Nur, weil ihre Mutter eine war. Das Mädchen ist von ihren Verwandten nicht gut behandelt worden, und von dem Teil ihrer Familie hier ganz bestimmt nicht. Sie vertraut MacKay nicht, das hat sie von Anfang an nicht getan. Und Ihr bildet Euch doch nicht etwa ein, dass Ihr der Einzige seid, der hier Fragen über diesen Mann stellt, oder?«
James fiel ein, wie er Annora erwischt hatte, als sie in MacKays Arbeitszimmer geschlichen war, offenbar mit der Absicht, die Unterlagen zu prüfen. Er verzog das Gesicht. »Wer denn noch außer mir und vielleicht Annora MacKay?«
»Na ja, Eure Verwandten haben es versucht, aber sie sind nicht nah genug an ihn herangekommen.«
»Aye, und ich habe ihnen klipp und klar gesagt, dass es meine Sache ist und dass sie ihr Leben nicht aufs Spiel setzen sollen, zumindest so lange nicht, bis ich eine Möglichkeit gefunden habe zu beweisen, dass MacKay das Verbrechen begangen hat, dessen man mich beschuldigt hat.«
»Das hat sie nicht aufgehalten, aber sie sind nicht weitergekommen. Ich weiß nicht, wie er es schafft, aber MacKay spürt immer wieder, wenn ihm jemand auf den Pelz rücken will. Nachdem Eure Verwandten etliche Male nur knapp mit dem Leben davongekommen sind, haben sie wahrscheinlich beschlossen, sich ruhig zu verhalten, wie Ihr es von ihnen verlangt habt. Aber ich glaube nicht, dass sie völlig untätig geblieben sind.«
»Das glaube ich auch nicht. Leider ist die Wahrheit irgendwo hier in diesem Keep verborgen, dessen bin ich mir sicher.«
Big Marta nickte. »Das ist sie, Junge. Das ist sie. Aber vielleicht ist sie nicht so gut verborgen, wie dieser Mistkerl glaubt. In einem Keep ist es ziemlich schwierig, über einen längeren Zeitraum hinweg Geheimnisse zu wahren. Es gibt immer einen, der etwas gesehen oder gehört hat, und eines Tages gibt er es dann auch offen zu.«
»Hast du denn etwas gehört?«
»Nur leise Gerüchte, vorläufig nur leises Flüstern. Doch ich spitze meine alten Ohren, und sobald ich etwas erfahre, das mehr als ein reines Gerücht ist, gebe ich Euch Bescheid.«
James nickte seufzend und sah der Frau nach, die wieder in ihrer Küche verschwand. Er widerstand dem Drang, sie zurückzuholen und über die Gerüchte auszufragen, die sie gehört hatte, selbst wenn es nur ein vager Verdacht war. Aber mit Gerüchten und Mutmaßungen würde er seine Freiheit nicht zurückgewinnen, und überstürztes Handeln könnte auch diejenigen zum Schweigen bringen, die sich bislang flüsternd austauschten. Doch eben diese Leute könnten ihm vielleicht zu etwas Brauchbarem verhelfen.
Während er sich wieder an seine Arbeit machte, dachte er darüber nach, dass Egan es auf Annora abgesehen hatte. Dabei regte sich etwas ziemlich Primitives in ihm, sein Herz fing an zu hämmern, und eine Stimme in ihm sagte immer wieder: »Sie gehört mir.« Auch hierbei musste er sehr vorsichtig sein, und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen konnte Egan ihn aus Dunncraig verstoßen, wenn er den Verdacht schöpfte, dass Annora an ihm interessiert war. Zum anderen war Annora so unschuldig, dass er womöglich ihre Gefühle verletzte, wenn er zu oft von Heiß auf Kalt und wieder zurück umschwenkte.
Er schüttelte knurrend den Kopf. Egal, wie oft er sich sagte, dass es nicht gut war, sich so zu Annora hingezogen zu fühlen – die Anziehung wollte einfach nicht schwinden. Er hatte das merkwürdige Gefühl, dass er wohl seine Gefährtin gefunden hatte. Die Murrays, bei denen er aufgewachsen war, waren davon überzeugt, dass das Schicksal einem jeden von ihnen einen Gefährten zugedacht hatte; und bei den Paaren, die er kennengelernt hatte, schien sich das auch immer zu bewahrheiten. Bei Mary hatte er dieses Gefühl nicht gehabt, und deshalb verspürte er noch immer Schuldgefühle.
Doch vielleicht war ja Annora MacKay seine Gefährtin. Das sagte ihm jedenfalls der Besitzanspruch, der sich in ihm regte, sobald er Annora sah.
Zu dumm, dass das Schicksal einen solch ungünstigen Zeitpunkt gewählt hatte, dachte er. Als Vogelfreier war er dem Tod geweiht. Wenn er sich jetzt eine Gefährtin nahm, bedeutete das, dass er die Frau derselben Gefahr aussetzte. Er musste sich wirklich mehr am Riemen reißen, um sich zu bändigen, wenn er Annora am liebsten packen und sie auf der Stelle und in jeder Hinsicht zu seiner
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