Der Wolf aus den Highlands
schwebten, senkte sich plötzlich ein tiefer Frieden auf ihn. Dafür hatte er gekämpft, und das würde er nie mehr aufgeben. Donnell MacKay hatte ihm drei Jahre seines Lebens gestohlen; der Mann hatte ihm seinen guten Namen und sein Land geraubt; und inzwischen war James klar, dass Donnell auch seine Gemahlin Mary beherrscht hatte. Doch die beiden an seiner Seite würde er sich von diesem Mann nicht wegnehmen lassen. Die warme Frau, die sich an ihn schmiegte, und das süße Kind, das leise im Schlaf murmelte, gehörten ihm. An den beiden würde er festhalten, mit ihnen wollte er ein gemeinsames Leben führen. Würde er sie verlieren, wären all seine früheren Verluste gering und unbedeutend.
16
James betrachtete Annora und Meggie. Das Kind hatte sich in die Arme der Frau gekuschelt. Offenbar hatte es im Halbschlaf nach Annora gesucht, um sich bei ihr zu wärmen oder sich von ihr trösten zu lassen. James war klar, dass ihnen nichts anderes übrig geblieben war, als so rasch wie möglich aus Dunncraig zu fliehen, aber es tat ihm leid, dass sie das Kind mitten in der Nacht aus seinem Bett hatten holen müssen.
Das Wichtigste war nun ein tragfähiger Plan. Er konnte nicht erwarten, dass ein kleines Mädchen und eine zarte Frau das Leben führten, das er die letzten drei Jahre geführt hatte. Sie konnten nicht in der Nähe von Dunncraig bleiben und weiter versuchen, Beweise zu finden, um MacKay und die von ihm ausgehende Gefahr aus dem Weg zu räumen. MacKay würde erbittert nach den beiden suchen und auch seine Leute dazu antreiben. James musste seine Frauen möglichst weit fortbringen, aber Frankreich erschien ihm mittlerweile nicht mehr geeignet, selbst wenn er dort mit den beiden ungestört hätte leben können. Nein, es blieb ihm nichts anderes übrig, als die zwei zu seiner Familie zu bringen und seine Verwandten zu bitten, für Meggies und Annoras Sicherheit zu sorgen.
Meine Frauen, dachte er lächelnd, als er den Weinschlauch ergriff, um ihn mit Bachwasser zu füllen. Der Klang der Worte ›meine Frauen‹ gefiel ihm ausgesprochen gut. Und bald würden sie es wirklich sein, bald würde er ganz offen Anspruch auf sie erheben und sich um sie kümmern können. James hatte das Gefühl, dass er nahe daran war, MacKay zu besiegen. Dass sie jetzt davonlaufen und sich verstecken mussten, war bestimmt nur ein kleiner Stolperstein auf dem langen Weg, sich alles zurückzuholen, was er verloren hatte. Ihm war klar, dass er fest daran glauben musste, sonst hätte er die Schlacht bereits verloren.
Als er den Weinschlauch gefüllt hatte, hörte James nur wenige Schritte hinter sich einen Ast knacken. Den Dolch in der Hand, wirbelte er herum. Doch dann fluchte er leise, freilich eher vor Erleichterung als aus Ärger. Ein paar Schritte von ihm entfernt stand Annora. Sie trug nur ihr Leibhemd und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen wachsam an, während sie ans Ufer trat, um sich im Bach Gesicht und Hände zu waschen.
»Du hast mich erschreckt, Mädchen, und da überall Feinde lauern können, habe ich entsprechend reagiert. Aber ich wollte dir keine Angst einjagen«, sagte er und steckte den Dolch wieder zurück.
»Es tut mir leid. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis ich begriffen habe, dass wir auf der Flucht vor einem gefährlichen Gegner sind.« Sie trocknete sich mit dem Saum ihres Hemds ab. »Ich fürchte, ich war nicht sehr leise; im Gegenteil, ich bin mehr oder weniger im Halbschlaf ziemlich laut durch die Gegend gestolpert.«
»Nun, ich war gedankenverloren, was momentan auch nicht ratsam ist. Die Zeit auf Dunncraig hat mich wahrscheinlich um die Instinkte gebracht, die ich mir in meiner Zeit als Vogelfreier erworben habe. Was macht Meggie?«
»Sie schläft, und das wird sie wohl auch noch ein paar Stunden tun, denn es ist noch recht früh. Schließlich war die letzte Nacht ziemlich aufregend für sie.« Annora lächelte. »Die kleine Meggie schläft gern und tief. Es hat mich gewundert, wie rasch es dir gestern Nacht gelungen ist, sie aufzuwecken. Sollte sie aber aufwachen, bevor ich wieder bei ihr bin, wird sie auf mich warten oder nach mir rufen.«
»Gut. Es wäre mir nicht lieb, wenn sie beim Aufwachen Angst bekommt, weil sie allein ist.«
»Es will mir noch immer nicht recht in den Kopf, dass wir uns jetzt in dieser Lage befinden. Wir standen so kurz davor, die Wahrheit herauszufinden, deinen Namen reinzuwaschen und zurückzubekommen, was du verloren hast. Und alles nur, weil sich eine Hure von
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