Der Wolf aus den Highlands
Fluch, der über Annies volle Lippen kam. Noch überraschter war sie, als das Mädchen nach einer Tasche griff, James die Sachen abnahm, die er bereits zusammengesammelt hatte, und eifrig zu packen anfing. James trat ans Bett und weckte Meggie sanft, sodass Annora sich ganz Annie widmen konnte.
»Wie ich sehe, billigst du diese Hochzeit auch nicht«, murmelte sie.
»Nay. Der Mann ist ein Schwein«, fauchte Annie, dann blickte sie kurz auf Annora. »Genau wie der Mann, mit dem MacKay Euch verheiraten will. Ich nehme an, dieses Schwein hat Euch heute Nacht einen Besuch abgestattet, um sein Eheleben vorzuverlegen.«
Annora fuhr sich unwillkürlich mit der Hand an die Wange und zuckte ein wenig zusammen. »Aye. Er fand es an der Zeit, mir beizubringen, wie schön es ist, einen Mann im Bett zu haben.«
»Das kann ja gut sein, aber nicht diesen Mistkerl.«
Annie klang sehr viel älter, als es ihre Jahre vermuten ließen. »Hat Egan dir wehgetan, Annie?«, fragte Annora bestürzt.
»Er hat es versucht, aber Big Marta hat ihn aufgehalten. Egan wagt es nicht, gegen sie die Hand zu erheben, weil MacKay ihre Kochkünste zu sehr schätzt. Sie hat auch dafür gesorgt, dass ich im Kinderzimmer beschäftigt werde. Hierher folgt mir der Kerl nicht, weshalb er auch nicht mehr viel von mir sieht. Außerdem würde es MacKay nicht gefallen, wenn Egan einer Frau etwas antut, die sich um das kleine Mädchen kümmert.« Sie warf einen Blick auf das Bett und steckte eine kleine Holzpuppe in den Beutel, die Annora noch gar nicht kannte. Wahrscheinlich hatte James sie geschnitzt. »Meggie mag Euren Mann.«
»Eigentlich ist er das nicht«, murmelte Annora, doch Annie lächelte nur.
»Machen wir eine Reise, Annora?«, fragte Meggie schlaftrunken, als James sie anzog.
»Aye, mein Schatz«, erwiderte Annora und trat ans Bett.
Meggie starrte Annora an. »Wer hat dich geschlagen? MacKay oder Egan?«
»Egan.« Annora sah keinen Grund, dem Kind etwas vorzuschwindeln, schließlich hatte Meggie oft genug mitbekommen, wie brutal die beiden Männer waren. »Master Lavengeance hat ihn aufgehalten.«
»Gehen wir weg, weil Master Lavengeance Egan getötet hat?«
»Das hat er nicht, aber er hat ihn ziemlich heftig verprügelt, und das könnte den Tod für ihn bedeuten. Darüber hinaus gefährdet es auch uns, denn wir haben ja oft genug gezeigt, dass wir mit ihm befreundet sind.«
»Und weil Sir MacKay will, dass ich diesen stinkenden Halbert Chisholm heirate?«
Annora konnte ihre Überraschung kaum verbergen. »Woher weißt du denn das?«
»Ich sperr die Ohren auf. Die Leute reden. Ich glaube, sie hielten das für eine ziemlich große Neuigkeit.«
»Nun kommt«, sagte James und nahm Meggie hoch. »Wir müssen weg.«
»Annie, du solltest dich lieber verstecken«, meinte Annora. »Wenn man herausgefunden hat, dass Meggie verschwunden ist, bist du hier auch nicht mehr sicher.«
»Wenn ich höre, dass Egan anfängt herumzubrüllen, werde ich schreien, dass das Mädchen weg ist«, sagte Annie. »Es wird ein großes Durcheinander geben, und dann werde ich mich aus dem Staub machen. Sie werden so beschäftigt sein, die Jagd nach Euch zu organisieren, dass sie an ein kleines Kindermädchen keinen Gedanken verschwenden.«
»Ein guter Plan, Mädchen«, sagte James. »Doch tu nichts, was ihre Aufmerksamkeit auf dich lenken könnte. Wenn du glaubst, dass du in Gefahr bist, wende dich an zwei Männer, die im Gasthaus im Dorf übernachten. Sie heißen Sir Simon Innes und Sir Tormand Murray. Die beiden werden dafür sorgen, dass du nicht bestraft wirst.«
Annie nickte und drückte hastig einen Kuss auf Meggies Wange.
»Passt auf euch auf, alle zusammen.«
Annora schulterte Meggies und ihren eigenen Beutel und folgte James. Der Weg, den er durch die düsteren Gänge von Dunncraig einschlug, zeigte, wie gut er den Keep kannte. Sie hatte zwar nie daran gezweifelt, dass er Sir James Drummond war, doch dieser greifbare Beweis war eine Rückversicherung für sie.
Als er sie zu einem stockdunklen, sehr engen Gang führte, zögerte sie. Es fiel ihr schwer, ihre tief verwurzelte Angst vor solchen Orten zu überwinden. So töricht ihr das vorkam, so hatte sie es doch nie geschafft, all die Wunden aus ihrer Vergangenheit vernarben zu lassen. Sie dachte sogar daran, James mit Meggie ziehen zu lassen und zu bleiben. Auch wenn sie sich über ihre Feigheit schämte, verringerte dies doch nicht ihre Angst.
»Gibt es keinen anderen Weg?«, wisperte sie.
James
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