Der Wolf
hat, werden diese vom neuen Rüden indifferent oder
gar aggressiv behandelt, im Interesse der neuen, von ihm
gezeugten Welpen. Natürlich müssen weitere Beobachtungen diese Annahme erhärten (oder verwerfen). Dave Mech
hat Wölfe beobachtet, die schon in ihrem ersten Winter
das Rudel verließen. Möglicherweise lagen hier ähnliche
Bedingungen vor.
Der Beta-Rüde
Gegen Rudelfremde ebenso aggressiv, gegen Rudelmitglieder aber viel weniger freundlich ist der zweite adulte Rüde.
Gegen den Alpha-Rüden verhalten sich die Rudelmitglieder
ausgesprochen freundlich-demütig ; ihm folgen sie in seinen
Entscheidungen. Expansionstendenzen der jungen Rüden
nach oben, ihre Versuche, eine Dauerposition im Rudel
zu erlangen, richten sich jedoch oftmals gegen den BetaRüden. Er ist der »Rammbock« des Rudels ; er muß seine
Position gegen Druck von unten verteidigen und zugleich
seine Chance wahren, den Alpha-Rüden einmal abzulösen. Er ist die aggressive Drehscheibe unter den Rüden des
Rudels und gehört gleichzeitig zu den Entscheidungsträgern. Zwischen ihm und dem ranghöchsten Rüden, manchmal auch dem Alpha-Weibchen, besteht eine enge Bindung.
Er hilft mit bei der Aufzucht der Welpen, trägt ihnen Futter zu, doch wie der Alpha-Rüde überläßt er häufig anderen den direkten Kontakt zu den Welpen und konzentriert
sich mehr auf deren Schutz.
Die Subdominanten
Die Gruppe der »Subdominanten« im Rudel besteht in der
Regel aus jüngeren Tieren. Da sie normalerweise – zumindest in Gebieten mit großen Beutetieren – beim Ausscheiden aus dem Rudel eine verminderte Lebenserwartung
haben, muß es in ihrem Interesse liegen, im Rudel zu bleiben. Andererseits stehen ihre Chancen, dann selber Welpen
zu bekommen und erfolgreich aufzuziehen, vorerst relativ
schlecht. Dies wird aber zum Teil dadurch wettgemacht,
daß die im Rudel geborenen Welpen mit einiger Wahrscheinlichkeit ihre Voll- oder Halbgeschwister sind, mit
denen sie dann 50 beziehungsweise 25 Prozent der Gene
gemein haben.
Ihre Chance, im Rudel zu bleiben, ist mit abhängig von
ihrem Rang, das heißt von der Anzahl über ihnen stehender Tiere sowie von der allgemeinen Stimmung im Rudel.
Wenn diese freundlich ist, haben sie eine größere Chance
zu bleiben. Hier besteht allerdings ein gewisser Konflikt:
Einerseits müssen sie bestrebt sein, innerhalb ihrer Gruppe
eine möglichst hohe Position zu erreichen, was nicht immer
ohne Streit abgeht; andererseits sollen Aggressionen, wie
gesagt, vermieden werden. Auch im Hinblick auf ihre Bindung zum Rudel stehen sie in einem Konflikt. Bleiben sie
eng beim Rudel, ist die Nahrungsmittelversorgung zwar
meistens günstig, und Aggressionen nach der Rückkehr
von Absentierungen bleiben aus. Doch die Chancen, einen
Partner zu finden und selbst in absehbarer Zukunft Nachkommen zu zeugen, sind dann gering.
All dem muß eine optimale Verhaltensstrategie Rechnung tragen (was sie auch tut, denn wir haben ja unsere
Schlüsse über diese Strategie aus dem Verhalten der Tiere
abgeleitet). Untereinander ringen sie um eine möglichst
hohe Position, allerdings ohne Einsatz sämtlicher Waffen,
führen doch intensive aggressive Auseinandersetzungen
sofort zu einer Ausweitung des Konflikts, an der sie nicht
interessiert sein können. Statt dessen versuchen sie, jeder
Aggression von oben durch Demutsverhalten zuvorzukommen ; auch die Auseinandersetzungen untereinander und
mit dem Beta-Rüden laufen häufig in spielerischer Weise
ab. Ohne das Rudel endgültig zu verlassen, entfernen sie
sich auch für Stunden, Tage oder länger vom Rudel, allein
oder in kleinen Gruppen, und gehen eigene Wege. Diese
Tendenz nimmt zu, je ungünstiger ihr Rang, je weniger
wahrscheinlich also ihre Chance ist, selber einmal an die
Spitze des Rudels zu gelangen, um zu reproduzieren. Die
Reproduktionschancen sind zwar auch beim Verlassen des
Rudels relativ gering, doch vermutlich größer als bei einem
Verbleib. Gegen fremde Wölfe sind sie freundlich, ja suchen
sogar den Kontakt zu ihnen, der nur abseits vom Rudel
möglich ist. Daß die rangniedrigen Rüden eher freiwillig
das Rudel verlassen als die Weibchen, liegt vermutlich an
der höheren Aggressivität innerhalb der weiblichen Rangordnung.
Die Juvenilen
Für die juvenilen Tiere bedeutet eine zu frühe Loslösung
vom Rudel noch größere Gefahr – sie sind noch ziemlich
unerfahren. Abgesehen von gelegentlichen Verselbständigungen müssen sie sich eng an das Rudel anschließen, in
dem sie viel
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