Der Wolf
Vorderpfoten fest zu Boden und greifen dann blitzschnell mit der
Schnauze nach. Getötet wird auch jetzt nicht durch Totschütteln, sondern durch mehrmaliges Hineinbeißen an
verschiedenen Stellen. Nur bei jungen Welpen habe ich
gesehen, daß sie für sie relativ große Beutetiere wie Meerschweinchen und Kaninchen kurz durchschüttelten. Erwachsene Wölfe scheinen diese Tötungsmethode nur bei
wehrhaften Beutetieren anzuwenden. Meine beiden Katzen,
die in den Ricklinger Wolfszwinger hineinsprangen, wurden auf diese Weise getötet, und einmal habe ich ähnliches mit einem zahmen Fuchs erlebt. Dieser war von einem
Jäger aufgezogen und mit einem Hund zusammen gehalten
worden. Dann kam er in das Fuchsgehege des Nationalparks Bayerischer Wald, aus dem er bald ausbrach. Offensichtlich Gesellschaft suchend, kletterte er über den Zaun
zum Wolfsgehege, wurde sofort ergriffen und durch einige
kräftige Schüttelbewegungen getötet.
Noch größere Beutetiere, wie Rehe oder Schafe, werden
durch einen gezielten Biß in die Halsgegend getötet. Der
Wolf packt sein Opfer im Laufen von unten quer über den
Hals, reißt es herunter und hält es so lange fest, bis es sich
nicht mehr rührt. Das kann Sekunden dauern, manchmal
aber auch Minuten. Dabei liegt der Wolf meistens neben
dem Opfer und hält es, ohne sich selbst viel zu bewegen,
am Boden fest, während die anderen Rudelmitglieder schon
mit dem Zerreißen der Beute beginnen. Solange sich das
Opfer noch regt, hält es der Jäger fest im Griff. Die nachher
erkennbaren Verletzungen sind gering; es ist kaum Blut zu
sehen, kein zerfetztes Gewebe, nur ein paar kleine Löcher
im Fell links und rechts am Hals. Möglicherweise stirbt
das Opfer an einer Kombination von Schock und Erstikken. Die Jagdmethode ist effektiv und die Zahl der Opfer
bisweilen hoch, dann etwa, wenn ein Rudel Wölfe ungehindert im Schafspferch wüten kann. Vor lauter Töten kommen die Tiere dann gar nicht zum Fressen, wie wir noch
sehen werden. Jedenfalls müssen die Wölfe diese Jagdmethode nicht erst im Laufe ihrer Jugendentwicklung lernen.
Die aus dem Gehege im Bayerischen Wald ausgebrochenen Wölfe, die vorher nie größere Beutetiere gejagt hatten,
töteten binnen weniger Tage Rehe, die alle durch einen Biß
in den Hals starben.
Die großen Beutetiere des Wolfes sterben langsam. Dave
Mech schildert ausführlich, wie Wölfe Weißwedelhirsch und
Elch jagen. Er unterteilt die Jagd in mehrere Phasen : die
Wahrnehmung und die Ortung der Beute ; das Heranpirschen ; die Begegnung, bei der Wolf und Beute sich gegenseitig entdecken ; der schnelle Spurt an die Beute heran ;
die auf den Spurt folgende Jagd, falls das Beutetier flieht;
schließlich das Töten der gestellten Beute. Entgegen früheren Vorstellungen, nach denen die Wölfe ihre Beute durch
lange Verfolgungsjagden zur Erschöpfung bringen, ist Dave
der Ansicht, daß die Wölfe ihre Beute in der Regel durch
eine kurze, schnelle Jagd überrumpeln. Falls sie nicht herankommen, geben sie schnell auf. Auch die Beutetiere bleiben
bald stehen, nachdem sie merken, daß sie nicht mehr verfolgt werden. Es geht sogar so weit, daß Rentiere erkennen
können, ob ein Wolf jagt oder nur durch eine Herde trottet. Im letzteren Fall lassen sie ihn bis auf wenige Meter an
sich herankommen. Außerdem weichen sie dem jagenden
Wolf nur so weit wie unbedingt notwendig aus. Ebenso wie
die Wölfe müssen auch die Beutetiere sparsam mit ihren
Kräften umgehen.
Selber habe ich nie gesehen, wie Wölfe erfolgreich große
Beutetiere jagen. In Ostafrika war ich aber Zeuge einer
Jagd von Hyänenhunden, und da diese der des Wolfes ähnlich ist, will ich sie schildern. Die Hyänenhunde beobachteten wir nördlich von Governer’s Camp im Masai Mara
Game Reserve in Kenia ; es waren drei Rüden, ein Weibchen und neun etwa drei Monate alte Welpen. In der Dämmerungszeit morgens und abends verließen die vier adulten Hunde die Höhle, in der sie die Welpen zurückließen,
und zogen auf Jagd. An einem Abend folgten wir ihnen
wieder mit einem Jeep, vor dem sie keine Scheu zeigten.
Überall in der Umgebung zogen große Herden von Gnus,
vermischt mit kleinen Zebragruppen, vorbei. Weit auseinanderlaufend näherten sich die Hyänenhunde einer Gnuherde. Die Tiere wichen aus, ohne zu fliehen. Plötzlich
rannte einer der vier Hunde mit größter Geschwindigkeit,
sofort von den anderen gefolgt, auf eine Gruppe von Gnus
zu, die auseinanderliefen, teilweise gegen die Laufrichtung
Der
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