Der Wolf
(im
wesentlichen durch Wölfe verursacht) bei 14 Prozent ; das
heißt, daß wiederum die jungen und die alten Schafe den
weitaus größten Anteil der Beutetiere ausmachten. Wichtig war zudem, daß von den gerissenen Tieren im mittleren Alter 68 Prozent von einer Krankheit befallen waren,
der sogenannten Actinomykosis. Dies ist eine Infektion
der Kieferknochen, die unter anderem das Wiederkäuen
der Nahrung sehr erschwert. Bei den jungen und den alten
Tieren hingegen hatten nur 20 Prozent diese Krankheit. Ein
gesundes adultes Wildschaf ist also für Wölfe offenbar nur
sehr schwer zu erlegen.
Der Gesundheitszustand einer Population hängt von verschiedenen Faktoren ab, wobei ein Faktor besonders herausragt : die Ernährung. Das Futterangebot für jedes Tier
ist durch die Höhe der Population bedingt. Bei überhohen Dichten kommt es zu einer Zerstörung der Vegetation,
wodurch das Angebot für jedes Individuum sinkt. Die Tiere
werden schwächer und anfälliger für Krankheiten und fallen somit den Wölfen leichter zum Opfer.
Genau das geschah auf Isle Royale zu Beginn der siebziger Jahre. Seit den Anfängen der Untersuchungen dort hatte
sich die Elchpopulation erheblich vermehrt. Die Vegetation,
durch die Elche in Mitleidenschaft gezogen, hatte sich zu
einer »Moose-Spruce Savanna« entwickelt, und dadurch war
der Ernährungs- und der Gesundheitszustand der immer
noch sehr vielen Elche schlechter geworden. Ebenfalls wurden jetzt viel weniger Zwillingskälber geboren ; die Reproduktivität hatte also abgenommen. Immer mehr Tiere, besonders junge Kälber bis zum sechsten Monat, starben an Unterernährung oder an Verletzungen, andere durch Ertrinken.
Die Folge davon war, daß auch der Prozentsatz gerissener
Kälber stark anstieg, wofür allerdings auch über mehrere
Jahre die hohen Schneelagen wesentlich verantwortlich waren.
Direkte Ursache schlechter Ernährung war aber noch mehr
die erhebliche Zunahme der getöteten Elche in der Altersgruppe der Ein- bis Fünfjährigen. Während Dave Mech in
den Jahren 1959–1964 insgesamt nur vier durch Wölfe getötete Elche dieser Altersklassen fand, was 5,6 Prozent aller
Rißfunde ausmachte, stieg ihr Anteil in den Jahren 1970–
1974 auf 52,9 Prozent !
Die Selektivität wölfischer Jagd im Hinblick auf das Alter
und den Gesundheitszustand der Opfer ist also stark abhängig vom Gesamtzustand der Beutepopulation. In gesunden
Populationen werden bevorzugt Jungtiere gerissen sowie
Tiere, die ein Alter von mehr als der Hälfte ihrer natürlichen Lebenserwartung erreicht haben. Je größer die Beuteart, desto ausgeprägter ist diese Tendenz. Bei kleinen
Beutearten können unter für Wölfe günstigen Bedingungen gelegentlich auch gesunde Tiere mittleren Alters getötet werden. Bei den größten Arten wird dies seltener. Für
alle Beutegrößen gemeinsam gilt aber, daß der durch Wölfe
erlegbare Anteil der Population mit zunehmender Verseuchung und Unterernährung steigt. Da beide Faktoren direkt
abhängig sind von der Populationsdichte der Beute, steht
den Wölfen bei hoher und überhoher Dichte des Vorkommens ihrer Beutetiere somit ein größerer Teil der Population zur Verfügung. Dies müssen wir bei der Frage nach
einer möglichen Regulation der Beutepopulation durch
den Wolf berücksichtigen.
Regulation der Beutepopulation
Das Thema der natürlichen Regulation von Populationen
gehört zu den schwierigsten und umstrittensten in der Ökologie. Dies gilt auch für die Frage, ob der Wolf einen regulierenden oder gar limitierenden Einfluß auf den Bestand
seiner Beutetiere hat. Unter »Regulation« versteht man in
diesem Zusammenhang, daß die Zusammensetzung sowie
die Bestandshöhe und die Entwicklung der Beutetierpopulation unter dem Einfluß der Wölfe anders sind als ohne
diesen Einfluß. Eine »Limitation« wäre dann gegeben, wenn
die Wölfe die Höhe des Beutetierbestandes auf einen Wert
begrenzten, der niedriger läge als ohne ihre Einwirkung,
also niedriger als die durch das Nahrungsangebot oder
andere Faktoren gegebene Grenze.
Die wohl beste Arbeit zu dieser Frage stammt wieder
von Isle Royale. Die ersten Elche kamen zu Beginn des
Jahrhunderts auf die Insel. Sie waren von der 24 Kilometer entfernten Küste Ontarios herübergeschwommen, wo
zur selben Zeit die Elchpopulation im Ansteigen war. Bei
fast unberührter Vegetation und ohne Feinde vermehrten
sich die Tiere auf Isle Royale sehr schnell und hatten Ende
der zwanziger Jahre einen Bestand von etwa 1000
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