Der Wolf
Tötungsbiß beim mittelgroßen Beutetier.
der Hunde. Wir fuhren in wilder Fahrt hinterher und merkten, daß die Hunde es auf ein jüngeres, etwa acht Monate
altes Gnu abgesehen hatten. Sie sprengten es aus der Herde
heraus und hatten es bald eingeholt. Zwei verbissen sich
in den Hinterschenkeln, so daß das Kalb zum Stehen kam.
Sofort rannte ein Hund nach vorne und biß sich in der
Schnauze des Kalbes fest, das laut schrie. Die anderen Gnus,
die überraschend schnell ihre Flucht beendet hatten, standen zum Teil nicht einmal hundert Meter entfernt und
schauten blökend zu. Während das Kalb vorn festgehalten wurde, rissen die anderen Hunde große Fleischstücke
aus den Hinterschenkeln. Einer biß ein großes Stück aus
dem Anus heraus und verschlang es sofort, während der
nächste Hund den Darm herausriß. Das Kalb stand immer
noch mit weit aufgerissenen Augen dumpf schreiend da.
Schließlich fiel es auf die Knie und dann auf die Seite ; erst
nach etwa acht Minuten war es tot. Die Hyänenhunde hatten sich schnell vollgefressen und verließen einer nach
dem anderen den Kadaver, auf den schon mehrere Schakale, eine Hyäne und viele Geier warteten. Die Hunde
kehrten zu den Welpen zurück und erbrachen ihnen in
kleinen Portionen einen Großteil des erbeuteten Futters.
Als es dunkel war, fuhren wir, recht weich in den Knien,
langsam zu unserem Camp zurück.
Die Methode der Wölfe, großes und wehrhaftes Wild zu
jagen, ist ähnlich. Flüchtendem Wild wird kurz und schnell
nachgesetzt. Dabei kann es zu einer Arbeitsteilung unter
den Rudelmitgliedern kommen. Während einige das Wild
treiben, liegen andere im Hinterhalt. So war in einem vom
Flugzeug aus aufgenommenen kanadischen Film zu sehen,
wie eine kleine Gruppe von Wölfen auf der offenen Tundra ein Rentier einen Hang hinuntertrieb, an dessen Fuß
zwei weitere Wölfe warteten. Diese hatten dann leichtes
Spiel mit dem völlig erschöpften Opfer. In unübersichtlichem Gelände hingegen, etwa in Waldgebieten, ist diese
Jagdmethode nur bedingt einzusetzen, denn die Fluchtrichtung ist für die Wölfe meistens weder im voraus zu berechnen noch zu beeinflussen. Immerhin hat Doug Pimlott im
Algonquin Park erfolgreiche Jagden auf Weißwedelhirsche
im Schnee rekonstruieren können, bei denen auch einige
Rudelmitglieder im Hinterhalt gelegen hatten.
Ist das Opfer, das womöglich nicht einmal geflüchtet ist,
umzingelt, hängt das weitere Vorgehen der Wölfe von der
Wehrhaftigkeit des gestellten Tieres ab. Starke Elche etwa
werden erst gar nicht weiter angegriffen – die Wölfe wissen, daß sie keine Chance haben. Andere werden stunden-,
ja tagelang umstellt gehalten; viele Rudelmitglieder schlafen dabei, während andere Wache halten. Auch bereits verletzte, aber noch wehrhafte Opfer bleiben so lange umstellt,
bis sie derart geschwächt sind, daß sie den Wölfen nicht
mehr gefährlich werden können. Diese greifen dann von
mehreren Seiten an, stoßen kurz vor und beißen irgendwo
hin. Meistens versucht ein Wolf, sich in die Schnauze des
Opfers zu verbeißen. Dadurch wird dieses nicht nur in seiner Bewegungsmöglichkeit stark beeinträchtigt, sondern
vielleicht auch betäubt. Wir wissen beispielsweise, daß bei
Pferden, denen man zur Ruhigstellung beim Hufschmied
die Nasenbremse anlegt, Endophine ins Blut ausgeschüttet werden. Auch bei uns Menschen haben Endophine eine
schnell betäubende, manchmal sogar euphorisierende Wirkung; zum Beispiel berichten Marathonläufer, daß sie in
der Endphase des Laufes trotz schlimmer Schmerzen wie
im Rausch schweben. Sicherlich wird dies nicht das Gefühl
des von Wölfen am Maul festgehaltenen Tieres sein, aber
die Qual ist immerhin bald vorbei. Da sich das Opfer nun
kaum noch wehren kann, greifen alle Wölfe ungehemmt an;
sie zerren es im Fell und an den Flanken, bis es zu Boden
sinkt und sich schließlich nicht mehr bewegt.
Jagderfolg
Der Jagderfolg der Wölfe ist von mehreren Faktoren abhängig. Die wichtigsten sind Art, Alter, Geschlecht und körperliche Verfassung der Beute, Geländestruktur, Schneeverhältnisse und schließlich die Anzahl der gemeinsam
jagenden Wölfe. Im kanadischen Ontario gelang es einem
Wolfsrudel von sieben bis neun Tieren in einem Winter, 25
Prozent der angejagten Weißwedelhirsche zu töten. Im folgenden Winter war ein aus acht Tieren bestehendes Rudel
– vermutlich dasselbe – in 63 Prozent aller Versuche erfolgreich. Das ist eine ungewöhnlich hohe Erfolgsquote, offenbar verursacht durch die in
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