Der Wolf
bis 3000
erreicht. Die Vegetation schien stark zerstört, und vermutlich als Folge von Nahrungsmangel schrumpfte die Population in den frühen dreißiger Jahren auf einige wenige hundert Tiere zusammen. Infolgedessen konnte sich die Vegetation merklich regenerieren. Außerdem fanden 1936 zwei
große Brände auf der Insel statt, die über 100 Quadratkilometer Wald vernichteten, wodurch sich die Äsungsbedingungen für die Elche weiter verbesserten. Wieder wuchs
die Population stark an, wurde dann aber Ende der vierziger Jahre durch Nahrungsmangel und Unterernährung
erneut reduziert.
Bis Wölfe die Isle Royale über eine zwischen Festland
und Insel durchgehende Eisbrücke in dem besonders harten Winter 1949 besiedelten, war die Entwicklung der Elchpopulation also durch große periodische Schwankungen
gekennzeichnet. Elf Jahre nach der Wolfseinwanderung
schätzte Dave Mech den Winterbestand der Elche auf etwa
600 und den der Wölfe auf etwa 23 Tiere. Die Zahl freilebender Tiere eines Gebietes einigermaßen genau zu ermitteln gehört zu den schwierigsten Aufgaben innerhalb der
Wildbiologie – trotz einer Vielzahl raffinierter Methoden.
Es scheint aber, daß Daves Schätzungen für die Wölfe recht
genau waren. Auch bei den Elchen war, wie spätere Untersuchungen zeigten, die ermittelte Zahl einigermaßen zutreffend; vielleicht hat Dave den Bestand etwas unterschätzt.
Auf jeden Fall kalkulierte er einen jährlichen Zuwachs von
225 Elchkälbem. Aber nur 85 dieser Kälber sollen das erste
Jahr überlebt haben und wurden so der Population zugeführt, während die restlichen 140 den Wölfen zum Opfer
fielen. Weiter schätzte Dave die jährliche Zahl der gerissenen adulten Elche auf 83. Der natürliche Zuwachs sollte
demnach durch die Wölfe wieder abgeschöpft werden, so
daß die Elchpopulation auf 600 Tiere stabilisiert blieb.
Diese Zahlen sowie eine gute Kondition der Elche, ein
hoher Anteil an Zwillingsgeburten und eine anscheinend
noch intakte Vegetation veranlaßten Dave zu der Annahme,
die Wölfe würden den Elchbestand limitieren. Nach seinen Berechnungen herrschte ein Räuber-Beute-Verhältnis
von einem Wolf zu dreißig Elchen (oder einem Wolf auf
etwa 10 000 Kilogramm Elch). Er wurde bestärkt in seiner
Annahme durch Daten aus anderen Gebieten. Im Algonquin Park zum Beispiel schien die Hirschpopulation bei
einem geschätzten Räuber-Beute-Verhältnis von einem Wolf
zu 100 bis 150 Hirschen (beziehungsweise einem Wolf auf
7000 bis 10 000 Kilogramm Elch) ebenfalls durch die Wölfe
limitiert. Dagegen wurde in einem anderen Gebiet weiter
westlich, im Jasper National Park in den Rocky Mountains,
bei einem für große Pflanzenfresser sehr günstigen Biotop
angenommen, daß die Wölfe den Bestand ihrer Beutetiere
nicht beschränkten. Insgesamt leben hier sechs verschiedene Huftierarten in viel größerer Dichte als in den Waldgebieten des Ostens. Es wurde ein Räuber-Beute-Verhältnis
von einem Wolf zu 300 bis 400 Individuen der verschiedenen Beutearten angenommen (beziehungsweise einem Wolf
auf 40 000 bis 50 000 Kilogramm Beutegewicht).
Aufgrund dieser und einiger weiterer Beispiele formulierte Dave die Hypothese, daß Wölfe den Bestand ihrer
Beutetiere limitieren könnten, wenn das Räuber-Beute-Verhältnis bei oder unter einem Wolf auf 10 000 Kilogramm
Beutegewicht liegt, während bei Verhältnissen darüber der
Wolf immer weniger Einfluß ausübe. Er sollte mit dieser
Annahme nicht ganz recht behalten, wie die weitere Entwicklung auf Isle Royale zeigte.
Doch zuerst blieben die Verhältnisse relativ konstant.
Der Elchbestand stieg zwar langsam auf ungefähr tausend
Tiere an, was die Vegetation merklich in Mitleidenschaft
zog. Danach indessen schienen die Wölfe ein weiteres Populationswachstum zu verhindern. Mehrere Jahre lang beherrschte ein Rudel von etwa fünfzehn Tieren die Insel. Daneben lebten einige Einzelgänger und Paare, die aber alle
keine Jungen erfolgreich aufziehen konnten. Nur im großen Rudel kam Jahr für Jahr ein Wurf zur Welt. Dieser
Zuwachs wurde jedoch weitgehend durch den Tod anderer Tiere ausgeglichen. Ein stabiles Räuber-Beute-Verhältnis von 1000 Elchen zu 25 Wölfen schien sich Mitte der
sechziger Jahre einzupendeln.
Dann aber geschah Unerwartetes. Zunächst sank die
Anzahl der Wölfe, obwohl der Elchbestand weiterhin langsam zunahm. Wie das ? Wahrscheinlich waren soziale Unruhen dafür verantwortlich, denn ein zweites Wolfsrudel hatte
sich erfolgreich etabliert und nahm
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