Der Wolf
sind Vorgänge, die der Tierzucht bei Haustieren vergleichbar sind, und so ist in diesem Zusammenhang viel
von einer »Domestikation des Wildes« gesprochen worden,
von der Entwicklung zu Hausrehen oder Haushirschen, die
nur noch Jägern als lebende Zielscheiben dienen. Aus der
Domestikationsforschung wissen wir heute, welche Voraussetzungen notwendig sind, damit eine Wildtierpopulation sich zu Haustieren entwickeln kann. Es müssen durch
den Einfluß des Menschen wesentliche natürliche Selektionsfaktoren wegfallen. Durch Bereitstellung von Nahrung
und Schutz gerät die Wildpopulation in immer größere
Abhängigkeit vom Menschen, der durch bestimmte Zuchtund Schlachtrichtlinien künstliche, von den natürlichen
abweichende Selektionseinflüsse ausübt. Schließlich müssen diese Veränderungen in kleinen, isolierten Populationen stattfinden.
Betrachten wir heute die Situation der wilden Huftiere
in vielen Gebieten Europas und Nordamerikas, so sind
alle diese Faktoren wenigstens ansatzweise wirksam. Das
Ausufern der Siedlungsgebiete, der Ausbau und die immer
stärkere Nutzung der Verkehrswege, die weitere Intensivierung der Landwirtschaft und die wachsende Vereinnahmung der freien Landschaft durch die Industrie führen
zu einer immer kleinräumigeren Gliederung der Lebensräume und damit zu einer zunehmenden Isolierung des
Wildes in kleine Einheiten, in denen zudem die wichtigsten
natürlichen Auslesebedingungen durch künstliche ersetzt
sind. Das zeitigt unweigerlich genetische Veränderungen,
unterschiedlich nach Ausmaß und Geschwindigkeit, in den
betroffenen Populationen. Zwar handelt es sich hier wie bei
allen populationsgenetischen Vorgängen um langsame Veränderungen. Doch schon jetzt ist das markanteste Merkmal
der Domestikation, die Zunahme der Variabilität einzelner Merkmale wie Größe, Schädel- und Geweihform sowie
Fellfärbung, in vielen Beständen bereits deutlich erkennbar.
Diese Entwicklung geht unter den gegebenen Umständen
zwangsläufig weiter und wird wohl eines nicht allzu fernen
Tages erneut in jener Form der Ausrottung von Wildtieren enden, die, Domestikation genannt, schon zu Beginn
unserer Zivilisation die größten Veränderungen bei natürlichen Lebensgemeinschaften verursacht hat.
Wir Menschen denken nicht in den Zeitmaßstäben der
Evolution. Es fällt uns schwer, Gefahren einer fernen Zukunft
zu erkennen, gar jetzt schon Vorsorge für deren Abwehr zu
treffen. Auch unser Handeln ist, wie jede Anpassungsstrategie in der Natur, reaktiv. Erst wenn wir eine drohende
Gefahr unmittelbar erkannt haben, können wir, wenn es
sein muß, enorme Energien freisetzen, um die Situation zu
meistern. Ansonsten sind wir allenfalls in der Lage, regelmäßig wiederkehrenden oder nach unseren Zeitmaßstäben
vorhersagbaren Ereignissen mit Vorsorge zu begegnen, sei
es, Heizungsmaterial für den nächsten Winter zu beschaffen, sei es, für unsere Zeit als Rentner zu sparen, sei es, für
die Zeit nach unserem Tod den Lebensunterhalt unserer
nächsten Angehörigen zu sichern. Langfristige Bedrohungen hingegen und erst recht solche, die uns nicht ganz persönlich, sondern alle, die ganze Gesellschaft treffen, mißachten wir in erschreckender Weise.
Doch das war wohl immer so. Und bislang hat ja auch
unsere kulturelle Anpassungsfähigkeit ausgereicht, die meisten der von uns selbst verursachten Umweltveränderungen noch rechtzeitig in den Griff zu bekommen. In diesem
Jahrhundert jedoch haben wir Prozesse in Gang gesetzt,
die, zunehmend beschleunigt, sich als irreversibel erweisen können, bevor wir sie als Gefahr überhaupt zu erkennen oder zumindest rational darauf zu reagieren vermögen. Hierzu gehören die heute schon in vielen Ländern der
Erde fatalen Folgen der Übervölkerung, gehören Ozonabbau und Kohlendioxidanreicherung in der Atmosphäre
mit ihren großenteils heute schon erkennbaren Folgen für
das Weltklima und gehören sicher auch viele drohende
Katastrophen, von denen wir derzeit noch keine Ahnung
haben. Und hierzu gehören schließlich, wenn auch auf einer
ganz anderen und für uns Menschen weniger bedrohlichen
Ebene, die Einflüsse unseres Handelns auf die Tiere und
die Pflanzen unserer Landschaft.
Wir glauben und hoffen, daß viele Folgen dieser Einflüsse
so lange rückgängig zu machen sind, wie die betroffenen
Arten irgendwo noch existieren. Deshalb hegen wir sie, sorgen wir für sie, wenn es ihnen, nach unseren Maßstäben,
schlechtgeht, vergessen aber, daß
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