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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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waren uns einig darin, daß der Versuch
einer direkten Zählung der Wölfe im Feld völlig aussichtslos sei. Dafür war das zu untersuchende Gebiet viel zu groß.
In den Alpen waren die Wölfe schon Ende des 19. Jahrhunderts ausgerottet worden. Wo in dem langgestreckten, von
südlich der Poebene bis an die Südspitze Kalabriens reichenden Gebirgszug der Apenninen noch Wölfe vorkamen,
war unbekannt. Falls wir nur die höher gelegenen Bergzonen berücksichtigten, würde dies immer noch ein Gebiet
von etwa 70 000 Quadratkilometern bedeuten. Wir kamen
daher überein, daß Luigi, zunächst allein alle möglichen
Wolfsgebiete bereisen sollte, um sich hier durch Befragen
der einheimischen Bevölkerung einen Eindruck über Verbreitung und Anzahl der Population zu verschaffen. Im
Winter wollten wir dann gemeinsam eines der Gebiete aufsuchen, in denen es Wölfe gab, um hier durch eine direkte
Zählung im Feld die Zuverlässigkeit der indirekt gewonnenen Daten zu überprüfen.
    Luigi ging an die Arbeit. Er stellte bald fest, daß die meisten
Angaben der Befragten überhaupt nicht zu verwerten waren.
Allzu viele Vorurteile und eine lebhafte Phantasie veranlaßten wohl einen Großteil seiner Interviewpartner zu maßlosen
Übertreibungen. Schließlich konzentrierte er seine Befragung auf Leute, die selber direkt Kontakt mit Wölfen hatten,
wie Forstleute, Straßenarbeiter, Jäger und Schäfer ; doch auch
hier hörte er viel Widersprüchliches. Diese Form der indirekten Untersuchung konnte also nur sehr unsichere Daten
liefern. – Als sicher erschien aber, daß der Wolf seit einigen
Jahren weder im nördlichen noch im südlichsten Teil der
Apenninen vorkam und auch auf Sizilien ausgerottet war. Im
übrigen Gebiet schien seine Verbreitung auf etwa zehn inselartige Vorkommen in den höher gelegenen Teilen der Apenninen beschränkt zu sein (Abb. oben). Nach Luigis Meinung konnte wegen der dichten Besiedlung sowie der vielen Straßen, Autobahnen und Eisenbahnlinien in den tieferen Lagen keine Verbindung zwischen den Wölfen in den
verschiedenen Gebieten bestehen.
    Wolfsvorkommen in Italien. Die Zahlen geben den geschätzten Bestand in den einzelnen Verbreitungsgebieten 1973 an.
    Da die geschätzte Zahl der Wölfe in einigen Gebieten
sehr klein war, schien ihre endgültige lokale Ausrottung
nur eine Frage der Zeit zu sein.
    Auch in dem einzigen Verbreitungsgebiet außerhalb der
höher gelegenen Apenninen, in den Tolfabergen direkt nördlich Roms, schienen die Tage der Wölfe gezählt. Überhaupt
war es erstaunlich, daß hier noch Wölfe vorkommen sollten.
Die Tolfaberge sind ein wenn auch recht dünn besiedeltes,
so doch weiträumig landwirtschaftlich genutztes Gebiet, in
dem gute Rückzugsmöglichkeiten für Wölfe fehlen. Nichtsdestoweniger wurden dort immer wieder Wölfe gesichtet,
gelegentlich sogar nahe der römischen Stadtgrenze – eine für
europäische Verhältnisse fürwahr einmalige Situation.
Die Abruzzen
    Für die weitere Arbeit schlug Luigi die Abruzzen vor, die
höchste Bergregion der Apenninen, östlich von Rom gelegen. Den dortigen Bestand an Wölfen schätzte er aufgrund
seiner Befragungen auf etwa fünfundzwanzig Individuen,
die in einem Gebiet von rund 1700 Quadratkilometern
lebten.
    Die Abruzzen bilden den zentralen Teil der Apenninen.
Das Gebiet wird begrenzt vom Gran Sasso d’Italia mit der
höchsten Erhebung der Apenninen (Monte Corno, 2914
Meter) im Norden, vom Monte Sirente (2300 Meter) im
Westen, vom Maiella-Massiv im Osten – von dessen Monte
Amaro (2793 Meter) man bei klarem Wetter das Adriatische Meer bei Pescara sehen kann – und im Süden vom
Parco Nazionale d’Abruzzo mit dem Monte Petroso (2249
Meter). Es gehört zum größten Teil zur Region Abruzzi mit
der Hauptstad L’Áquila.
    Das Klima ist stark maritim beeinflußt mit einem jährlichen Niederschlag in den höheren Lagen von 1300 Millimeter (gemessener Fünfjahresdurchschnitt aus acht Dörfern im Nationalpark). Niederschlag fällt an etwa hundertzehn Tagen im Jahr, und im Winter liegt in Höhen über
1000 Meter normalerweise eine bleibende Schneedecke.
    Während die nördlichen Teile weitgehend unbewaldet sind,
bedecken im Osten und im Süden von 1100 bis 1800 Meter
Höhe dichte Buchenwälder die steilen Berghänge. An einigen Stellen im Nationalpark gibt es noch ursprüngliche Kiefernwälder. Oberhalb des Waldes erstrecken sich zunächst
weite offene Weiden, die in die felsigen, kahlen Regionen
des Hochgebirges übergehen.

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