Der Wolf
Bodenaufsetzens,
Rennspiel
geräuschlos zu. Aber zwischen Angreifer und Opfer besteht,
wie schon häufig betont, eine auf der gemeinsamen Vergangenheit basierende Beziehung, aus der dem einen die
Absichten des anderen eindeutig verständlich werden.
Diese Form einer signalunabhängigen Verständigung hat
einen wesentlichen Anteil an der Kommunikation sowohl
zwischen höher entwickelten Tieren als auch bei Menschen.
Sie führt dazu, daß sich viele Signale bis auf ein Minimum
reduzieren lassen und trotzdem noch verstanden werden.
Oft reicht schon eine leichte Überfalldrohung auf Abstand,
etwa um einen rangniedrigen Wolf von seinem Vorhaben
abzuhalten. Es bedarf nicht des ganzen Zeit- und Energieaufwandes für einen vollständigen Überfall. Natürlich
kann eine solche Signalreduktion auch Gefahren mit sich
bringen : Die langsame Veränderung des üblichen Verhaltens eines Partners wird möglicherweise nicht registriert.
Deshalb ist es verständlich, warum bei den Wölfen einige
für sie besonders wesentliche Verhaltensweisen trotz aller
Gewöhnung stets in eindeutiger Form ausgeführt werden.
Das sind vor allem Verhaltensweisen der Unterwerfung,
des Protests und der Rangdemonstration, also solche, die
letztlich einen direkten Konfliktausbruch und die Gefahr
des Verletztwerdens vermeiden helfen.
Spielgesicht
Doch zurück zum Spiel. Es sind vor allem die obenerwähnten, scheinbar überflüssigen und plötzlichen Bewegungen wie Körper- und Kopfschleudern, Zickzacksprünge
und hopsende Fortbewegungen, die das Spiel kennzeichnen. Diese Spielausdruckselemente treten hauptsächlich
am Anfang des Spiels auf, bei der Spielaufforderung. Eine
Form haben wir schon kennengelernt : den gespielten Überfall. Bei einer weiteren legt sich der Wolf vor den Partner
auf die ausgebreiteten Vorderbeine, den Vorderkörper fast
auf dem Boden. Der Schwanz, manchmal der ganze Hinterkörper wird ruckartig bewegt, ebenso der Kopf. Die Augen
sind groß und rund und fixieren kurzfristig den Partner.
Aus dieser Haltung springt der Wolf plötzlich los, entweder vom Partner weg, um ihn so zu einer Verfolgungsjagd
aufzufordern, oder auf ihn zu, woraus sich dann ein Beißspiel entwickelt.
Im Spiel lassen sich bestimmte Rollen erkennen. Beim
Rennspiel sind dies Verfolger und Verfolgter. Der erstere
zeigt Ausdruckselemente der Aggression. Der letztere kneift
den Schwanz zwischen die Beine und legt die Ohren zurück,
als wollte er wirklich fliehen. Anders als im Ernstfall kann
er aber im Kreis laufen und so bald selbst zum Verfolger werden. Oder er stellt sich plötzlich, und es kommt zu
einem Beißspiel. Der Verfolger kann aber auch ausweichen
und weiterrennen, wodurch er jetzt, mit eingekniffenem
Schwanz, zum Verfolgten wird.
Beißspiel
Auch bei anderen Spielen gibt es diesen Rollenwechsel
zwischen Angreifer und Verteidiger. Und auch hier werden Ausdruckselemente aus dem Ernstverhalten übernommen, zum Beispiel das Maulaufreißen. Dieses unterscheidet
sich aber vom aggressiven Maulaufreißen dadurch, daß die
Zähne dabei nicht gebleckt werden und auch keine Drohlaute zu hören sind, so daß über die spielerische Absicht
der Partner niemals Unklarheit herrscht.
Bei erwachsenen Wölfen gilt dies aber nur für das reine,
unaggressive Spiel. Bei ihnen geht spielerisches leicht in
aggressives Verhalten über. Dabei können spielerische Ausdruckselemente als Tarnung von in Wirklichkeit aggressiven Absichten dienen. Nicht nur Menschen können bluffen ! Doch mehr davon später.
Kommen wir jetzt kurz auf die anfänglich gestellte Frage
zurück, warum gerade beim Wolf das Ausdrucksverhalten
so hoch entwickelt ist im Vergleich zu dem seiner nächsten Verwandten Schakal und Kojote oder auch dem des
Fuchses. Diese drohen beispielsweise in einer recht stereotypen Weise durch einfaches Aufreißen des Maules – ähnlich dem extremen Abwehrdrohen beim Wolf – unabhängig von der Rangbeziehung zum Gegner und von sonstigen
Kräfteverhältnissen. Devra Kleiman, die viele verschiedene
Canidenarten im Londoner Zoo beobachtet hat, führte das
hochentwickelte Ausdrucksverhalten des Wolfes auf seine
nahrungsökologische Situation zurück : Während die meisten Caniden, so auch Schakal und Fuchs, in der Regel
kleinere Beutetiere jagen, die sie allein töten, lebt der Wolf
hauptsächlich von Beutetieren, die größer sind als er und
die er daher nur gemeinsam mit anderen Wölfen erlegen
kann. In Anpassung hierzu hat sich beim Wolf eine Tendenz zum
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