Der Wolf
Zähne
gebleckt sind und das Maul geöffnet ist, desto lauter wird
auch das Knurren.
Bei zunehmender Abwehrtendenz mischen sich in das
Drohen Laute hinein, die schließlich in Schreien übergehen können. Es sind helle, grelle Laute des Schreckens, des
Schmerzes und der großen Angst. Ein Wolf, der von einem
Ranghöheren oder mehreren Wölfen »verprügelt«, also noch
nicht ganz fest gebissen wird (in diesem Fall versucht er,
sich nur noch zu verteidigen oder zu fliehen), schreit laut.
Häufiger als bei erwachsenen Wölfen tritt das Schreien
bei den Welpen auf, die in dem ersten, noch sehr rauhen
Spiel miteinander oft schreien. Auch bei plötzlich auftretender Gefahr schreien die Welpen ; ihr Schreien ist dann ein
Schrecklaut. In diesem Fall reagieren die anderen Welpen,
wie schon geschildert, mit jäher Flucht, und die erwachsenen Wölfe richten ihre Aufmerksamkeit sofort auf die
Welpen.
Im Zusammenhang mit der passiven Verteidigung durch
Schreien gibt es einen weiteren Drohlaut, der zur Kategorie
der nicht mit den Stimmbändern produzierten Laute gehört:
das Zähneklappern. Ein in die Ecke getriebener und sich
heftig verteidigender Wolf schlägt beim Abwehrdrohen in
einer Art Schnappbewegung in der Luft die Zähne von Ober-
und Unterkiefer hart aufeinander, wodurch ein dumpfer,
oft mehrmals wiederholter Laut entsteht. Er drückt größte
Verteidigungsbereitschaft aus und dient auf sehr markante
Weise der Abschreckung vor weiteren Angriffen.
Ein weiteres Fremdgeräusch mit Signalwirkung ist das
bereits erwähnte harte Aufschlagen der vier Füße beim
Überfallgalopp. Schließlich gibt es Laute, die bei bestimmten Aktivitäten entstehen und denen selbst keine Signalfunktion zugesprochen werden kann, die aber trotzdem
die Aufmerksamkeit anderer Wölfe erregen. Beim Fressen
etwa entstehen Geräusche, beim Abreißen des Fleisches,
beim Knacken der Knochen, beim Hervorwürgen von Futter ebenso. Diese Geräusche lenken vor allem die Welpen
auf mögliche Futterquellen. Sie rennen in Richtung des
Geräusches und versuchen aufgeregt, einen Teil der Nahrung zu ergattern.
Das Heulen
Der wohl charakteristischste Laut des Wolfes ist das Heulen : ein langgezogener melodischer U-Laut, der durch Ausblasen von Luft bei nach vorne gezogenen Lippen und leicht
geöffnetem Maul zustande kommt. Meistens hebt der heulende Wolf auch den Kopf nach oben und legt die Ohren
zurück.
Eine Heulstrophe hält oft bis zu zwanzig Sekunden lang
an. Nach neuem kurzem Einatmen kann eine weitere Strophe folgen, so daß das Heulen mehrere Minuten lang andauert. Manchmal heulen einzelne Wölfe sogar stundenlang.
Dann sind die Pausen zwischen jeder Strophe in der Regel
etwas länger.
Die einzelnen Wölfe eines Rudels haben zum Teil ein
recht charakteristisches Heulen. Mir ist es nie besonders
schwergefallen, das Heulen meiner Wölfe auseinanderzuhalten, und die Tiere selber können es auch. Dies geht vor
allem aus Aufzeichnungen über die Reihenfolge hervor,
in der die Rudelwölfe in den Chor einfallen. Für Wölfe ist
das Heulen eines anderen Wolfes ein sehr starker Auslöser, selbst zu heulen, und so ergibt sich aus dem anfänglichen Heulen eines Wolfes oft bald ein Chorheulen des ganzen Rudels. Nicht immer aber zieht ein Einzelheulen das
Heulen des Chors nach sich. Das anfängliche Heulen eines
randniedrigen Wolfes zum Beispiel ist seltener der Anlaß
als das eines ranghohen. Offensichtlich sind die Wölfe in
der Lage, nicht nur individuelles Heulen zu unterscheiden,
sondern dieses auch mit einem bestimmten Tier zu verbinden. Ebenso sind sie imstande, das Heulen fremder Wölfe
(oder Hunde) von dem der ihnen bekannten Wölfe zu unterscheiden.
Das Heulen der Welpen und der Jungwölfe liegt im Ton
etwas höher als das von erwachsenen Wölfen. Sie fangen
im Rudel seltener selbst an zu heulen, reagieren aber auf
das Heulen der Altwölfe sehr schnell. Das geschilderte spontane Heulen von Anfa schon im Alter von siebzehn Tagen
zeigt, daß auch das Heulen für die Welpen von großer Bedeutung ist.
Über die Funktion des Heulens ist viel spekuliert worden, aber erst langsam erhalten wir brauchbare Daten, die
eine objektive Beurteilung erlauben. Danach hat das Heulen mehrere Funktionen. Theberge und Falls haben – im
Zusammenhang mit den Wolfsforschungen von Doug Pimlott und seinen Mitarbeitern im Algonquin Park in Ontario, Kanada – festgestellt, daß die voneinander getrennten Wölfe eines Gefangenschaftsrudels sehr viel
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