Der Wolf
Zusammenleben in größeren Gruppen entwikkelt, während die meisten anderen Canidenarten solitär
oder in kleinen Familiengruppen leben. Die notwendigerweise komplexeren Entscheidungsvorgänge in einem größeren Rudel haben beim Wolf zu einer Differenzierung
kommunikativer Signale geführt, und dies vor allem im
Bereich der optischen Kommunikation.
Die akustische Kommunikation
Bei den Wölfen können wir sechs verschiedene Grundlautäußerungen unterscheiden. Es sind dies Winseln, Wuff-,
Knurr-, Schrei- und Heullaute sowie Geräusche, die nicht
mit den Stimmbändern und der Mundhöhle, sondern mit
Hilfe anderer Körperteile zustande kommen. Lautäußerungen werden entweder zusammen mit den optischen und den
geruchlichen Signalen im Nahbereich benutzt oder dienen
als Informationsträger über weite Distanzen. Innerhalb der
einzelnen Lautäußerungsformen gibt es viele Abstufungen
und auch individuelle Variationen, viele Übergänge und
Mischlaute. Ähnlich den einzelnen optischen Ausdruckselementen stellen die meisten Laute für sich allein keine
genaue Aussage dar, sondern erlangen ihre volle Bedeutung nur im Zusammenhang mit dem gesamten Verhalten der Wölfe in einer bestimmten Situation.
Winseln ist eine sehr variable Lautäußerung. Es sind
zumeist recht leise und helle Töne, die Unruhe, Unzufriedenheit oder leichte Erregung zum Ausdruck bringen, die
aber auch bei Aufforderungen, etwa im sexuellen Bereich,
zu hören sind. Welpen winseln, wenn sie frieren, hungrig
oder allein sind, ältere Wölfe, wenn sie zu den Welpen gehen,
um sie aus der Höhle oder einem Versteck hervorzulocken,
oder wenn sie ihnen Futter zutragen. Selber habe ich häufig junge Welpen im großen Gehege im Bayerischen Wald
durch Winseln heranlocken können. In der Annahme, die
Mutter komme zurück, rannten sie auf mich zu; erst im
letzten Augenblick erkannten sie ihren Fehler und rannten wieder davon. Dieser Trick funktioniert allerdings nur
in den ersten Wochen, nachdem sie laufen können. Später
scheinen sie die Winsellaute der Mutter und der anderen
Wölfe von denen des Menschen unterscheiden zu können.
Auch am Geruch erkennen sie wohl den Fremden und sind
dann sehr viel vorsichtiger.
Die älteren Wölfe winseln in einer Vielzahl sozialer Situationen ; es ist bei weitem die häufigste Lautäußerung überhaupt. Vor allem sind es die jüngeren und rangniedrigeren
Wölfe, die bei Einzelbegegnungen mit Älteren und Ranghöheren, aber auch bei den für die Wölfe so typischen Gruppenzeremonien aufgeregt winseln. Weiter winseln die Wölfe
bei allen Formen der Aufforderung, etwa wenn sie einen
anderen Wolf zum Aufstehen zu bringen suchen. In der
Vorranz winselt das Weibchen bei der Aufforderung der
Rüden. In der Hochranz ist es dann umgekehrt : Die Rüden
winseln, wenn sie vom Weibchen wieder etwas wollen.
Einsilbiges Waffen ist ein Warnlaut. Es lenkt die Aufmerksamkeit des ganzen Rudels auf eine mögliche Gefahr
und führt, je nach Situation, zur Flucht der Welpen oder
des ganzen Rudels. Bei geringer Intensität geht dem Wuffen häufig ein Laut voraus, der durch ruckartiges Ausblasen von Luft durch die Nasenlöcher entsteht. Bei höherer
Intensität kann das Wuffen auch mehrsilbig zu einem ersten
Ansatz von Bellen werden. Es ist ein Laut größter Erregung. Ein sich nähernder Feind wird so auf Abstand von
den älteren Rudelmitgliedern angebellt, während die Welpen und die jüngeren Wölfe sich in Sicherheit bringen. Vermutlich dient das Bellen der Ablenkung und der Warnung
vor einem Feind, einem Bären etwa, einem Menschen oder
auch fremden Wölfen. Auch aggressive Kämpfe im Rudel
lösen bei Rudelmitgliedern, die sich nicht direkt am Kampf
beteiligen, manchmal aufgeregtes Bellen aus. Im Vergleich
zum Bellen des Hundes ist dieser Laut beim Wolf aber recht
undifferenziert und auch sehr viel seltener zu hören.
Knurren untermalt das optische Zähneblecken und ist
somit ein Drohlaut. Ein Wolf protestiert gegen Belästigung
durch allzu aufdringliche Welpen, ein Ranghoher gegen
unerlaubtes Verhalten eines Rangniedrigen, dieser gegen
Unterdrückungsversuche des Ranghöheren, fressende Wölfe
gegen Annäherung anderer und so weiter. Bei geringer Intensität wird manchmal geknurrt, ohne daß die Zähne
auch nur leicht gebleckt sind. In seltenen Fällen geht es
auch umgekehrt : Die Zähne werden lautlos gebleckt. Bei
zunehmender Intensität treten die beiden Informationsträger aber stets zusammen auf ; je intensiver die
Weitere Kostenlose Bücher