Der Wolfsthron: Roman
Eurer Grenze ist noch alles in Ordnung«, sagte sie in der Allgemeinen Sprache, lächelte und strich über das schöne Leinen.
»Wäre es anders, würde ich es Euch wissen lassen, Eure Hoheit«, antwortete Dimitri ernst. »Den Befehl über die Westmauer hat jetzt eine Frau, aber sie ist überraschend gerecht und angenehm im Umgang.« Er zog sie auf.
»Vielleicht ist sie ja deshalb so gerecht und angenehm im Umgang, weil sie eine Frau ist«, erwiderte Raisa.
Dimitri lachte. »Da könntet Ihr recht haben«, sagte er. »Wo wir gerade von gerecht sprechen – ich habe nicht vergessen, dass Ihr mir noch Skyld schuldet«, fügte er hinzu. »Und Ihr habt auch versprochen, mir einen sauberen Fluss zu schicken.«
»Ich arbeite daran«, seufzte Raisa. »Wir sollten uns nach der Krönung darüber unterhalten, noch bevor Ihr wieder abreist.«
Als Raisa in ihre Räume zurückkehrte, half Magret ihr dabei, das formelle Krönungsgewand auszuziehen. Sie legte sich in Unterwäsche und Mieder aufs Bett, um noch vor dem großen Abendessen ein kleines Nickerchen zu machen. In der Nacht zuvor hatte sie dank Han Alister nicht viel Schlaf gefunden, und sie brauchte etwas Ruhe, wenn sie nicht riskieren wollte, dass ihr am Abend der Kopf auf den Teller sackte.
Sie war gerade dabei wegzudämmern, als ein Klopfen an der Tür erklang. Cat kam sofort herbei und stellte sich schützend ans Fußende ihres Bettes, während Magret sich leise murrend beeilte, auf das Klopfen zu antworten. Nachdem sie sich einige Zeit flüsternd unterhalten hatte, schloss sie die Tür wieder und trat an Raisas Bett. Ihr Gesicht war eine einzige Gewitterwolke der Missbilligung.
Raisa stützte sich auf den Ellenbogen auf. »Was ist, Magret?«
»Draußen ist ein Bote von Lord Hakkam. Wie er sagt, ist der König von Arden endlich eingetroffen.« Magret schnaubte und zeigte damit deutlich, was sie von respektlosen, sich verspätenden Königen hielt. »Er und sein Gefolge sind in Regent House untergebracht, und er wird heute Abend zum Diner anwesend sein. Aber er bittet um eine kurze Audienz noch vor dem Diner, um Euch persönlich zu gratulieren, da er ja die Zeremonie heute Morgen verpasst hat.«
Da geht mein Nickerchen dahin, dachte Raisa. König Geoff gefällt mir schon jetzt nicht.
Magret, die Raisas Miene richtig deutete, sagte: »Ich habe dem Boten mitgeteilt, Hoheit, dass Ihr Euch ausruhen würdet und dass der Flatland-König bis zum Essen warten muss.«
Raisa schüttelte müde den Kopf. Sie setzte sich auf und schwang die Beine über die Bettkante. Ihre Füße erreichten nicht einmal den Boden.
»Nein, ich möchte diesen Mann richtig einschätzen können, und das gelingt mir weder beim Diner noch beim anschließenden Ball. Und ich will mich mit ihm auch nicht erst um Mitternacht treffen.« Sie gähnte. »Wird die Königin von Arden auch beim Essen anwesend sein?«
Magret zuckte mit den Schultern; sie runzelte die Stirn. »Ich werde es herausfinden. Bisher war keine Rede von ihr.«
Raisa schickte eine Nachricht in den Speisesaal, dass die Sitzordnung umgestellt werden musste. Magret half ihr in das Kleid, das sie zum Diner und beim Ball tragen würde. Sie bürstete Raisas Haare und beschäftigte Cat damit, ihr verschiedenen Schmuck, Pinsel, Farben und Puder zu bringen. Irgendwann schlüpfte Cat in das rote Satinkleid, das sie sich selbst für den Tanz ausgesucht hatte. Es war an beiden Seiten hoch geschlitzt, sodass sie, wenn nötig, genügend Bewegungsfreiheit haben würde. Raisa wusste, dass ihre Kammerzofen-Leibwächterin unter dem Satinstoff Klingen versteckt hatte, wenngleich Raisa keine Ahnung hatte, wo diese überhaupt sein konnten.
Raisa beschloss, weitere Augen und Ohren für die Aufwartung des Königs hinzuzuziehen. »Hol Lord Alister von nebenan, wenn er da ist«, sagte sie zu Cat.
»Lord Alister?«, fragte Cat und grinste. Sie machte einen Knicks. »Jawohl, Hoheit«, sagte sie dann und stürzte davon.
Magret schnaubte. » Lord Alister? Ihr könnt ihn in Seide und Satin kleiden, aber Ihr werdet ihn niemals …«
»Still jetzt, Magret«, fuhr Raisa dazwischen. Sie streckte ihren Kopf durch die Tür, und Pearlie Greenholt nahm Haltung an. »Kannst du Hauptmann Byrne Bescheid geben lassen, dass ich den König von Arden in meinem Wohnzimmer empfangen werde und möchte, dass er dabei ist?«
Dann überlegte sie, ob es überhaupt angemessen war, einen König im eigenen Wohnzimmer zu empfangen. Vermutlich nicht, aber als Marianna noch Königin
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