Der Wolfstrank
erreicht, prallte dagegen, schlug mit den Krallen gegen den Verputz, brüllte weiter, ging zurück und begann sich selbst mit den Krallen zu schlagen.
Aber wir sahen auch, dass er sich veränderte. Es begann an seinem Kopf, der ebenfalls vom Fell bewachsen war. Dort dünnte es allmählich aus, und auch das Gesicht veränderte sich.
Es war vergleichbar mit dem Morphen auf einem Computerbildschirm. Nur geschah dies hier langsamer. Hier wurde auch keine fiktive Person verändert, sondern eine echte.
Das Mittelding zwischen Mensch und Werwolf warf sich wieder auf den Boden. Der harte Aufprall tat ihm nichts. Er rollte sich mehrmals um die eigene Achse, während aus dem offenen Mund zitternde Schreie drangen.
Er wollte die Verwandlung nicht. Er kämpfte dagegen an. Er wollte nicht unter diesen Schmerzen leiden, und doch hatte er keine Chance, die Verwandlung zu stoppen.
Es war eben Vollmondzeit, und das war auch zugleich seine Zeit. Er kroch über den Boden. Er suchte ein Ziel. Er robbte auf die Tür zu. Dabei hatte er seinen Kopf angehoben, damit er mit dem Gesicht nicht über den Zellenboden schleifte. Noch immer leuchtete das andere Licht in seinen Augen. Nur hatte es sich wesentlich abgeschwächt. So erhielt der Blick ein immer mehr menschlicheres Aussehen. Auf dem Kopf verschwand das Fell, dafür traten die ersten Haare hervor, die nicht sehr lang waren, sondern recht kurz und dunkel.
Er richtete sich auf. Er blieb stehen.
Das Gesicht glich dem eines Menschen. Der Mann besaß dunkle Augenbrauen, eine kleine Nase, breite Lippen und ein vorspringendes Kinn. Seine Ohren, die sich ebenfalls zurückgebildet hatten, lagen dicht an. Um seinen Körper hing die Kleidung ziemlich weit. Sie war an einigen Stellen auch eingerissen. Das Hemd besaß keine Knöpfe mehr, so dass wir die Brust sehen konnten. Auf ihr wuchs noch das Fell, aber es löste sich immer mehr auf. Es fiel nicht zu Boden, es verschwand einfach. Und ebenso verschwand die Bestie.
Vor uns stand ein wildfremder Mensch, der auch nicht mehr schrie, sondern gegen das Fenster in der Tür schaute, uns bestimmt auch sah, aber nichts tat.
Er war in Schweiß gebadet. Das Zeug lag wie eine dicke Ölschicht auf seinem Gesicht. Er konnte nicht sprechen, aber er war auch nicht ruhig. Heftige Atemstöße rasten aus dem jetzt menschlichen Mund. Der Mann ging zurück. Er sah, dass er beobachtet wurde, und auf seinem Gesicht malte sich Angst ab.
Sie blieb auch bestehen, als er sich rückwärts wieder seiner Pritsche näherte. Zuerst stieß er mit den Waden dagegen, dann fiel er nach hinten.
Auf dem Rücken blieb er liegen und tat nichts mehr, als sich in seine Rolle einzufinden. Er hatte noch genug mit den Nachfolgen der Verwandlung zu kämpfen, so dass er auf andere Dinge nicht mehr achtete.
Ich trat einen Schritt von der Tür zurück. Mein Blick fiel auf Wilson, der kein Wort hervorbrachte. Er hatte ihn gehört, und das reichte ihm aus.
»Ich denke, dass wir ihn jetzt besuchen können«, sagte Suko.
»Sie wollen rein?«, kiekste Wilson. »Das... das... können Sie verantworten?«
»Ja, warum nicht?«
»Aber er ist doch... er ist...«
»Wieder zu einem normalen Menschen geworden, Mr. Wilson.«
Der Kollege schaute uns ungläubig an. Wir mussten ihn schon drängen, einen Blick in die Zelle zu werfen, und dann sah er, was wirklich geschehen war.
Er konnte es trotzdem nicht begreifen. Ungläubig gab er seinen Kommentar ab. »Ein Mensch, das ist wirklich ein Mensch geworden. Keine Bestie mehr.«
»So ist der Lauf der Dinge«, sagte Suko.
Wilson rieb seine schweißigen Hände an der Uniform ab. »Und Sie wollen wirklich zu ihm?«
»Deshalb sind wir hier.«
Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, uns vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Deshalb nickte er, holte schnaufend Luft und flüsterte: »Dann... dann schließe ich mal auf.«
»Ja, tun Sie das.«
Wir ließen Wilson in Ruhe. Er stand wirklich noch unter Stress, denn seine Hände zitterten. Aber er öffnete uns die Tür und machte uns Platz, indem er zur Seite trat.
So konnten wir endlich in die Zelle hineingehen...
***
Es gab keine Veränderung. Ob der Mann uns gesehen hatte, war fraglich. Er war noch immer mit sich selbst beschäftigt. Zwar lag er auf dem Rücken, doch er fand keine Ruhe und bewegte sich. Die Hände glitten an seinem Körper auf und ab, und immer wieder betasteten sie das Gesicht, als wollte er herausfinden, ob das Fell auch tatsächlich verschwunden war.
Das war der Fall. Es war zu
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