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Der Wolkenatlas (German Edition)

Der Wolkenatlas (German Edition)

Titel: Der Wolkenatlas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Clever!
    Ich erinner mich genau an ihre Antwort. Ja, das Clever von den Alten bezwang Krankheiten, Enfernungs, schlechte Samen un machte Wunder normal, aber eins konnts nich bezwingen, n Hunger in den Menschen ihrn Herzen, ja, den Hunger nach mehr.
    Mehr was?, wollt ich wissen. Die Alten hatten doch alles.
    Ach, mehr Zeug, mehr Essen, schneller sein, n längres Leben, n leichtres Leben, mehr Macht. Die ganze Welt is groß, ja, aber sie war nich groß genug für den Hunger mit dem die Alten den Himmel aufrissen un die Meere überlaufen ließen, die Erde mit irren Atoms vergifteten un mit faulen Samen rummurksten wo neue Seuchen un missgeborne Babbas brachten. Irgnwann, erst langsam dann zackzack, zerfieln die Länder in babarische Stämme un die zivlesierten Tage warn vorbei, nur in n paar versteckten Winkeln glimmert noch die letzte Glut.
    Ich fragte sie warum sie diese Fabel nie in den Tälern erzählt hatte.
    Die Talleute wolln nich hörn dass der Hunger von den Menschen die Zivlesion nich bloß geborn sondern sie auch getötet hat. Ich weiß es von andern Stämmen wo ich gewesen bin. Wenn du zu Leuten sagst ihr Glaube is nich wahr, denken sie du sagst ihr Leben is nich wahr un ihr Wahr auch nich.
    Ja, ich glaub da hatte sie Recht mit.
     
    Der dreite Tag war blau un klar, aber Meronym hatte Pudding in n Beinen un so schleppte ich unsre ganzen Sachen bis auf ihre Zeugtasche. Wir warn über die Bergschulter zur Südseite gewandert von wo n vernarbter Zickzackfad von den Alten rauf zum Gipfel führte. Um Mittag tat Meronym sich ausruhn un ich sammelte orntlich Feuerholz, weil wir warn jetz bei den letzten Bäumn. Wie wir runter aufn Mauna Loa kuckten, sahn wirs Konametal von ner Schar Ferde inner Sonne blizten. Klein wie Termiten warn sie da unten aufer Saddle Road. Am liebsten hätt ich die Wilden zwischen meim Daumn un Zeigefinger zerkwetscht un den Schleim an meiner Hose abgewischt. Ich betete zu Sonmi dass bittebitte kein Kona aufm Weg zum Gipfel auftaucht, weil da warn gute Plätze fürn Hinterhalt, un ich wusste dass Meronym un ich nich hart un lange hakeln konnten. Aber s warn weder Hufabdrucks noch Spurn von Zelten zu sehn.
    Die Bäume hörten auf un der Wind blies zornicher un brachte keinn Geruch nach Rauch, Vieh, Mist un gar nix mit, sondern bloß feinenfeinen Staub. Vögel gabs auf den steilen struppichen Hängen auch nich mehr viele, bloß n paar Bussards wo hoch oben inner Luft segelten. Gegen Abend kamn wir zu nem Haufen Häuser von den Alten. S wär früher n Dorf für Stronomen gewesen, sagte Meronym, Clever-Priester wo die Sterne lesen konnten. Aber seitm Untergang hatte keiner mehr da drin gewohnt un ich hatt noch nie so n trostlosen Ort gesehn. Kein Wasser, keine Erde, un inner Nacht wurds beißend kalt, drum zogen wir uns dicke Sachen über un machten in nem leern Haus n Feuer. Flammen un Schatten tanzten um die kalten Wände rum. Ich war mir am Sorgen machen wegen dem Gipfel morgen, un weil ich nich wollte dass sie meine Gedanken sieht, fragte ich Meronym, wer wahr sprechen würd, die Äbtissin wo sagt die ganze Welt fliegt um die Sonne, oder der Mann aus Hilo wo sagt die Sonne fliegt um die ganze Welt.
    Die Äbtissin spricht wahr , antwortete Meronym.
    Dann ist das wahre Wahr anders als wies Wahr wo du sehn tust? ,fragte ich.
    Ja, meistens is das so , erinner ich Meronym sagen, un deswegen is das wahre Wahr kostbarer un seltener als wie Diamanten. Langsam zog der Schlaf ihr seine Kapuze über, aber mich hielten meine Gedanken wach, bis sich ne stumme Frau zu mir ans Feuer setzte un leise vor sich hinbibberte un nieste. An ihrer Kette aus Kaurischalen sah ich dass sie ne Fischerin aus Honomu war, un wenn sie noch gelebt hätt wär sie n scharfes Weib gewesen. Die Frau streckte ihre Finger in die Flammen rein wo die hübschesten bronze- un rubinroten Blüten warn, aber sie seufzte alleinsamer als wie n Vogel inner Bükse in nem Brunnen, weil die Flammen die konnten sie nich mehr wärmen. Ihre Augen warn Kieselsteine, un ich fragte mich ob sie aufn Mauna Kea wollte damit Old Georgie ihre Seele endlich in steinichen Schlaf versetzte. Tote Leute hörn die Gedanken von den Lebenden, un die ertrunkne Fischerin sah mich mit ihrn Kieselaugen an un nickte. Dann holte sie zum sich Trösten ne Feife raus, aber ich fragte nich ob ich auch mal ziehn darf. Wie ich ne lange Weile später aufwachte, wars Feuer am Ausgehn un die gesteinichte Honomu war wech. Nich eine Spur hatte sie im Staub hinterlassen, aber

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