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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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statt ihm nachzugeben, senkte sie den Kopf und unterdrückte das Flackern ihres rasenden Pulses, während sie die Bestie am Ende des Zugangstunnels vorbeiziehen ließ.
    Sie konnte sie nicht angreifen, nicht hier unten. Hier unten brauchte die Drahtmeisterin nichts weiter zu tun, als Elektras gläserne Haut aufzukratzen und eine der unter Spannung stehenden Leuchtadern zu entblößen – den Rest würde das Methan in den Kanalschächten erledigen.
    Das Warten fühlte sich an, wie langsam entzweigerissen zu werden.
    Nach zahllosen Stunden wurde es in den Tunneln einen Tick heller. Durch eine Öffnung am noch weit voraus liegenden Ende konnte Lek den trüben Schimmer der nächtlichen Stadt ausmachen, und kurz darauf erfüllte ein unverwechselbares Geräusch die Luft: das gleichmäßige Rauschen des Flusses.
    Lek zog sich wieder tiefer in einen der Zugangsschächte zurück, als das Wolfsrudel daran vorbeidrängte. Sie tastete mit ihren Magnetfeldern, bis sie eine rostige Metallleiter gefunden hatte.
    Die frische Luft traf sie wie ein Hoffnungshauch, als sie aus dem Schacht kletterte. Vor ihr ragte ein monolithisches backsteinrotes Gebäude auf, und sie versuchte, sich zu orientieren. Dort war der Fluss, in all seiner schäumenden Tödlichkeit, überspannt von einer Hängebrücke mit gewaltigen Kabeln, und –
    Lek erlosch vor Entsetzen.
    Über die Brücke schwärmten, dicht gedrängt wie Glühwürmchen in einem Aufwind, Hunderte leuchtender Gestalten. Doch es waren nicht die Gestalten selbst, die sie in Schockstarre versetzten; es waren die Farben – weiß und gelb, so eng beieinander, dass ihre individuellen Lichter kaum zu unterscheiden waren.
    Beieinander! Lek beobachtete sie ungläubig. Ein hagerer Schemen, nicht mehr als ein Schattensplitter vor all diesem Leuchten, ging an ihrer Spitze, winkte sie mit seiner Eisenstange voran.
    Und schließlich wurde Lek klar, dass ihr Blick auf einer Armee ruhte. Darum also war die Drahtmeisterin hier. Natriumiten und Weißhells marschierten nicht nur gemeinsam; sie wollten gemeinsam kämpfen .
    Nur wenige Meter entfernt sprang der erste Skelettwolf auf das Embankment und landete leichtfüßig auf seinen stählernen Pfoten. Elektra duckte sich hinter ein parkendes Auto. Einen Moment lang zögerte sie, sah mit den Augen ihrer Großmutter vor sich, wie die bevorstehende Schlacht ausbrach, wie die Wölfe über den Pulk von nichts ahnenden Whiteys und abtrünnigem Natriumitenpack herfielen, wie sie mit ihren Fängen Glas und Leuchtadern zerfetzten –
    Für den Bruchteil einer Sekunde erfüllte der Gedanke an das Massaker sie mit Genugtuung. Dann ließ die Landung des zweiten Wolfs den Asphalt erzittern, und Lek traf ihre Wahl.
    Sie drehte sich um und rannte los, in der Mitte der Straße, blitzte und lichtmorste mit jedem Fünkchen Spannung, das sie aufzubieten vermochte.
    Filius, ihr werdet angegr–
    Ihre Leuchtfäden bebten, als die stählernen Wölfe sie überholten.

Kapitel 36
    »Diese Priester sollen endlich ’nen verfluchten Zahn zulegen. Ich würd sie ja aus diesem Steinpanzer schneiden, wenn – «
    »Fil!«
    Er sah auf. »Was ist?«
    »Sagt dir das irgendwas?«
    Sein Blick folgte Beths Zeigefinger. »Das ist eins von den gelben Lampenmädels«, murmelte er. »Ich kann nicht genau sehen, wer’s ist. Was macht die denn – ?« Er wurde blass und verstärkte den Griff um seinen Speer.
    »Mach dich bereit«, flüsterte er Beth zu. Dann warf er sich ins Hohlkreuz, sodass seine scharfen Rippenbögen hervortraten, und brüllte lauter als aller Lärm der Stadt: » W IR WERDEN ANGEGRIFFEN !«
    Die Skelettwölfe waren die Ersten. Bellend und geifernd hetzten sie an den gespenstischen Stahlskeletten ihrer Abrichter vorbei. Ihre gewaltigen Klauen rissen riesige Löcher in den Asphalt.
    Die Natriumiten verbanden ihre Magnetfelder, jede Ader gleißte vor angestauter statischer Energie. Ihr Tanz wirkte taumelnd, weil sie Mühe hatten, ihre Schritte auf dem bebenden Boden richtig zu setzen. Beth spürte, wie sich ihr bei all der Elektrizität in der Luft die Nackenhaare aufstellten.
    Die erste Schockwelle riss dem Wolf an der Spitze die Vorderbeine nach hinten, und mit stählernem Jaulen grub er sich Maul voran in die Straße – doch die nachfolgenden jagten im Sturmlauf über ihn hinweg, katapultierten die Stahlknochen ihres Rudelgenossen in den Fluss.
    Zweihundert Meter. Hundertachtzig. Hundertfünfzig. Beth taxierte die Entfernung. Die Zeit verlangsamte sich, sodass der rasende

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