Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
Ansturm der Meute wie eine Serie von Standbildern wirkte. Jeder schartige Zahn, jede gezackte Metallklaue prägte sich Beth ins Gedächtnis. Sie sah die gläsernen Tänzer, die ihren nächsten Kriegswalzer tanzten – zu langsam, zu langsam . Fünfzig Meter.
Beth schloss die Augen und wappnete sich gegen den Aufprall.
»He, Bradley!«, schrie eine Stimme. »Was zur Hölle glaubst du, wozu ich dir deine neuen Kräfte besorgt hab?«
Beth riss die Augen auf. Links und rechts sah sie nichts außer geifernden, heulenden Mäulern.
In Mater Viaes Namen, scheiß drauf! , dachte sie.
Sie warf sich nach vorn, und das Schlachtgetümmel verschluckte sie.
Beth hört mein Gebrüll, und ich renne los, während der Wind meinen Kampfschrei davonträgt. Mein Tempo lässt die Straße verschwimmen, verwandelt das Wasser des Flusses in Quecksilber. Ich schmecke Kampflust in meiner Kehle. Natriumiten verschwinden hinter mir in Spuren aus Licht. Jetzt habe ich nichts als Feinde vor mir; nichts als blitzende Reißzähne. Nichts als Beute. Meine Lippe zuckt. Ich bin der grausame Wilde der Straße.
Ich knurre.
Mag sein, dass ich kein Heerführer bin, aber ich kann jagen . Ich falle über die Wölfe her, und sie fallen durch den Hieb meines Speers.
Beth dröhnten die Ohren, als metallene Zähne knapp an ihnen vorbeischwirrten. Das hier war ein Tornado aus Stahl, und sie befand sich in seinem Auge. Sie sprang von Strebe zu Strebe, schwang sich von Schnauzen auf Rücken. Instinktiv hielt sie das Gleichgewicht. Der Straßenprinz war mit seinem Speer überall, durchdrang alles wie grauer Rauch. Und das riesige Biest an seiner Seite, das doppelt so groß war wie ein Mann und einem aus Schwärmen von Ratten und Tauben und dem Müll der Stadt geschaffenen Bären glich, zerrte an den Bäuchen der Wölfe.
Geschmeidige Katzengestalten flitzten durch das Getümmel: Flinks Kriegsheer. Es wirkte beinahe komisch, wie die hageren Fellknäuel fauchend und kratzend die gewaltigen Stahlskelette angriffen, doch Reachs Monster schienen sie durchaus ernst zu nehmen. Vergeblich setzten sie den Katzen nach, schnappten nach ihnen, verdrehten sich die Beine und kugelten sich Gelenke aus. Ihre Zuckungen waren panisch.
Die haben Angst , schoss es Beth durch den Kopf. Die haben Angst vor den Katzen, und das macht sie fertig.
Beths Armee umjubelte ihre Helden, als ein Metallgigant nach dem andern mit verknoteten Gliedern zu Boden ging, zur Strecke gebracht von den berüchtigten Katzen.
Doch sie waren nicht die Einzigen, die fielen. Glasgestalten wurden von stählernen Kiefern gepackt. Bernsteingelbes Flackern spiegelte sich in blankem Metall: die letzten Schreie der Sterbenden. Beth ging tief in die Hocke und katapultierte sich vom Hinterteil eines Wolfs direkt ins Gesicht eines andern. Die Bestie schnappte nach ihr, doch Beth wich geschickt aus. Kalter Stahl traf ihre Handfläche, und sie packte zu, klammerte sich grimmig an den Nacken des Monsters. Schreckens- und Glücksgefühle durchzuckten sie. Aus der Erinnerung stieg eine vertraute Stimme auf: Ich hatte Arme, mit denen ich Stahlträger zerquetschen konnte.
Sie lehnte sich nach vorn und bekam die Lefze ihres Wolfs zu fassen. Das Untier bockte und presste die Kiefer aufeinander, doch seine Zähne standen zu weit auseinander, als dass sie Beths Hände hätten verletzen können. Mit vor Anstrengung weißen Knöcheln spürte sie, wie der Stahl unter dem Druck ihrer Finger nachgab. Sie spannte sämtliche Muskeln, packte noch fester zu und zog.
Das Monster brüllte auf, als sie es am Haken hatte – das grässliche Schmerzgeheul eines verwundeten Tiers.
Der Kiefer der Bestie klappte zur Seite, nur noch zusammengehalten von einer dünnen Sehne aus Eisenschrott. Winselnd sackte der Wolf kopfüber auf den Asphalt.
Beth lag einen Moment still da, stierte benommen durch das Gewirr der Stahlknochen.
Ich hab’s geschafft, ich hab ’nen Skelettwolf erledigt.
Eiserne Reißzähne gruben sich ihr in die Schulter. Sie schrie.
Beth geht zu Boden, und etwas in mir drängt mich schmerzhaft zu ihr, obwohl ich ihr nicht helfen kann. Der Raum zwischen uns schwirrt vor Metall. Der Bär, der Gossenglas ist, brüllt und zermalmt einen Wolf, dann verwandelt er sich in eine riesige Faust, die den nächsten zertrümmert. Fänge reißen klaffende Wunden in seine Seite, und er blutet Würmer.
Unter der Eisenbahnbrücke wirbelt ein Ring aus Natriumiten in einem unbändigen Teufelsderwischtanz. Seltsame Schatten verbinden und
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