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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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Armee sagt Miau und sonst gar nix«, konterte Beth. »Und was Fil und Glas angeht, die liegen beide falsch. Ich weiß noch nicht genau, wieso, aber ich bin fest davon überzeugt: Mater Viae kehrt nicht nach London zurück.« Sie sprach mit klarer Stimme, zuckte mit keiner Wimper.
    Petris schluckte von der Mixtur aus Hoffnung und Enttäuschung, die ihm in die Kehle stieg, genug wieder hinunter, um zu knurren: »Woher weiß ich, dass ich deinem Wort trauen kann?«
    »Kannst du nicht«, erklärte sie unverblümt. »Also hör endlich auf, die Worte anderer Leute für bare Münze zu nehmen. Denk nach und find’s selber raus.« Sie zählte es ihm an den Fingern ab. »Ihr einziger Sohn wird von der Drahtmeisterin durch die Mangel gedreht. Wo war sie? Nirgends . Die erste Armee seit fünfzehn Jahren, die für sie kämpft, wird am Ufer der Themse zu Hundefutter verarbeitet, und wo ist sie? Schon wieder: nirgends . Und dann sind da natürlich die Katzenviecher.«
    »Du meinst die Katzen, die man noch nie ohne ihre Göttin gesehen hat?«, erwiderte Petris, wenig begeistert.
    »Du sagst es.« Beth beugte sich nach vorn. »Noch nie, nicht mal für einen Tag. Ich hab mich umgehört. Niemals seit Anbeginn der Geschichte hat irgendwer Mater Viae und ihr Gefolge je voneinander getrennt gesehen. Wieso in Herrgotts Namen sind sie dann jetzt plötzlich ohne sie unterwegs?«
    Petris antwortete nicht.
    »Es sei denn«, fuhr Beth fort, hielt dann jedoch inne.
    Sie setzte einen von diesen verstörend intensiven Blicken auf, die er noch an der Rückseite seiner Augenhöhlen spürte.
    »Es sei denn, sie ist irgendwo anders, an ’nem Ort, an den die Katzen ihr nicht folgen können.«
    Petris kniff die Augen zusammen. »Ist ’n bisschen dünn, Mädchen.«
    »Dünner als ’ne Scheibe Marmorkuchen für ’n Supermodel, schon klar«, gab Beth zu, »aber ich bin sicher, es stimmt. Es fühlt sich wahr an , findest du nicht?«
    Petris atmete aus und schloss die Augen. Ja, es fühlt sich wahr an , gestand er im Stillen – aber vielleicht nur deswegen, weil er wollte, dass es die Wahrheit war? Weil er sich weitaus mehr nach der Herzenslust sehnte, mit der er eine Gerüststange nach der andern zwischen seinen Panzerhandschuhen zerquetschen würde, als nach der ausgeklügelten, süchtig machenden Qual, heimlich zu einer Göttin zu beten, die niemals Antwort gab?
    »Also schön«, sagte er, »ich sing die Vertragsarie. Ich werde dem Steinernen Parlament vortragen, was du gesagt hast. Alles, was ich versprechen kann, ist eine Abstimmung, aber die braucht Zeit.«
    Beth erbleichte bei dem Wort Zeit , doch sie nickte in zögerndem Einverständnis. Mehr als das konnte sie hier nicht erreichen. Sie stand auf und wandte sich Richtung Tor.
    »Was denn?«, fragte Petris. »Du wirst die Entscheidung nicht abwarten?«
    Beth schüttelte den Kopf. »Reach hat meine beste Freundin«, sagte sie. »Vom Warten wird sie nicht schneller gerettet.«
    »Hab davon gehört«, sagte Petris nüchtern. Er war mies gelaunt und verkatert und verspürte keinerlei Neigung, das zu verstecken. »Der Wirt der Drahtmeisterin. Mit ›retten‹ meinst du hoffentlich ›töten‹, denn das ist das Beste, was du jetzt noch für sie tun kannst. Ihr Tod ist sowieso unvermeidlich.«
    Beth blickte ihn auf eine Weise an, die ihm Angst machte. Es war ein fanatischer Blick, ein Blick, der nicht hinnahm, dass etwas unvermeidlich war, der es niemals hinnehmen würde. Ein Blick, der ihn dafür verachtete, dass er schwach genug war zu glauben, es gäbe das Unvermeidliche. Sie hob Filius’ Speer.
    »Du gehst also ganz allein?« Petris war bestürzt. »Ziehst in die Schlacht gegen einen – einen verdammten Gott . Das ist – « Er geriet ins Stocken, bis er schließlich fortfuhr: »Das ist tollkühn.«
    Ein schmales Lächeln zuckte über Beths Lippen, unter den spätherbstlichen Bäumen war ihr Gesicht rot gesprenkelt.
    »Frei nach ’nem weiseren Freund von mir«, erwiderte sie, »Tollkühnheit ist mein Spezialgebiet.« Ihr Lächeln erlosch. »Trommel deinen Orden zusammen«, sagte sie. »Hol dir die richtige Antwort. Und hol sie dir schnell.« Dann lief sie los und verschwand zwischen den Bäumen in Richtung des tosenden Verkehrs.

Kapitel 42
    Beth raste durch London. Sie spürte die Blicke der Wasserspeier an den Traufen von Highgates Schieferdächern. Hochmütige Gestalten starrten von Hochhausfenstern auf sie herab, Spiegelbilder von Leuten, die gar nicht da waren. Es fühlte sich an, als

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