Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
’n Stachelschwein in den Hals geschoben!« Ein furchtbares Glockengeläute dröhnte durch Petris’ Schädel – und zwar eines, das gewiss nichts mit dem halben Liter Schrottschnaps von letzter Nacht zu tun hatte. Er öffnete zögernd die Augen. Seine Lider schabten über die Innenseite seiner Strafhaut, grelles Winterlicht bohrte sich in seine Pupillen.
»Wach auf! Mach schon!« Das Mädchen, das ihn anbrüllte, trug einen verdreckten Kapuzenpulli. Der Grund für seinen dröhnenden Schädel war jetzt mehr als deutlich zu sehen: Die Kleine hämmerte dauernd mit einer Eisenstange auf ihn ein.
»Höaufmiddemscheiß«, knurrte er, und saure, alkoholgeschwängerte Galle stieg gurgelnd in seine Kehle. Er schlug mit einer gepanzerten Hand nach der Stange, doch das Mädchen brachte sie mit einer kurzen Bewegung außer Reichweite.
»Wer im Namen der Titten meiner sadistischen Göttin bist du?«, polterte er.
Die Kleine überging seine Frage. Sie hob eine Augenbraue, als sein Atem über ihr Gesicht wehte. »Auf die inneren Werte kommt’s an, was? Na, ich schätze, worauf’s bei dir ankommt, dürften ungefähr fünf Pullen Fusel sein.«
Ein Gesicht aus den Tiefen von Petris’ Gedächtnis kämpfte sich durch den zähen Schnapsdunst – aber dieses Gesicht hatte nicht die gleiche grau getönte Haut, die gleichen betonfarbenen Augen. Sein Blick fiel abermals auf die Eisenstange. Das geschliffene Metall verjüngte sich zu einer rasiermesserscharfen Spitze. »Du bist die heiße Schnecke von Filius, stimmt’s?«, krächzte er ungläubig. Sie funkelte ihn an. Er hüstelte kurz und fing sich wieder. »Nun«, sagte er. »Beth, richtig? Du hast dich … verändert.«
Beth rümpfte die Nase. »Du auch. Letztes Mal hab ich dich sogar gesiezt, weil du da noch Manieren hattest.«
Petris winkte ab. »Ach, bin bloß verkatert«, erklärte er. »Ich trink immer ’nen Schluck, wenn ich bete.«
»Frommsein ist schon hart, was?«, fragte sie.
Petris lachte laut auf. »Als ob man mit der Frau eines andern schläft«, erwiderte er. »Neun Teile Schuldgefühl und ein Teil Ekstase, und irgendwie bist du am nächsten Morgen doch bloß wieder allein.«
Beth schnaubte. »Bisschen verbittert, oder?«, sagte sie. »Tja, so furchtbar gern ich mich dafür interessieren würde, hab leider keine Zeit.« Sie klatschte jäh in die Hände. »Komm in die Gänge, Steinhaut. Werd nüchtern, sammel deine Truppen. Gibt ’nen Krieg da draußen, schon gehört?«
Petris schüttelte kaum merklich den Kopf. Schon diese kleine Bewegung ließ die Konturen der Welt erschreckend verschwimmen, und sein Puls hämmerte unangenehm an sein Hinterhauptbein. Im Moment stand ihm der Sinn ganz und gar nicht nach Vollidioten, was wirklich ungünstig war, weil die Kleine sich wie einer aufführte. Keuchend vor Anstrengung hob er die schweren Beine unter seinem Steingewand und schleppte sich unter eine blattlose Eiche, deren Schatten groß genug war, um ihn vor dieser vermaledeiten Sonne abzuschirmen. Erst dann schnarrte er: »Was hast du gesagt?«
»Sammel. Deine. Truppen.« Beth reckte den Hals und blickte über die Schulter in Richtung Südwesten.
Mit sinkendem Mut begriff Petris, dass er gar nicht zu fragen brauchte, wonach sie Ausschau hielt. »Dann hab ich wohl doch richtig gehört.« Es hatte nicht einmal neunzig Sekunden gedauert, und schon bereute er, heute Morgen überhaupt aufgewacht zu sein.
»Ich stürme die Festung, Petris«, sagte sie. »Ich übernehme Reachs Haus. Aber ich brauche eine Armee. Ezechiels Jungs haben ihr Bestes getan, bloß haben sie’s allein nicht gepackt. Ich brauche mehr. Ich brauche die Besten. ›Wenn’s eins gibt, das ich noch besser kann als saufen, dann ist das kämpfen‹ , war’s nicht so?« Sie zog die Nase kraus. »Tja, ich habe ja nicht geahnt, wie viel Prahlerei in diesem Satz stecken würde. Zeit, ihn wahr zu machen.«
Missmutig starrte Petris sie an. »Wenn ich mich recht entsinne, warst du dabei, als Filius dasselbe von mir verlangt hat«, erwiderte er, »und dir gebe ich nun dieselbe Antwort: Nein . Ich kann nicht für Mater Viaes Rückkehr kämpfen.«
Beth sprang auf den Grabstein für Stanley Philips. End of an Error. »Auch gut«, sagte sie kalt, »sie kommt nämlich nicht zurück.«
Ein Schauer lief Petris über den Rücken. Er schwieg lange.
»Wirklich?«, sagte er schließlich mit gespielter Ungezwungenheit. »Interessant. Filius, Gossenglas und Flinks Armee behaupten allesamt etwas anderes.«
»Flinks
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