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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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gluckern, und zwar allesamt, und manche meinten, dies sei das bisher sicherste Zeichen, dass Mater Viae zurückkehren werde. Doch es gab auch noch andere murmelnde Stimmen, die aus Gullydeckeln und Gassen drangen und davon sprachen, die Ehrengarde der Herrin der Straßen habe sich von ihrer verschwundenen Göttin losgesagt und versammle sich, um ihre eigenen Zwecke zu verfolgen.
    »Das halsstarrige kleine Miststück ist nicht hier«, sagte der granitene Kapuzenmönch, als sie Paul zu ihm führten. Seine Hände flackerten hin und her zwischen einem Becken voll dunkelrotem Ton und den tiefen Rissen in seinem Steinpanzer, die er mit der Masse versiegelte. Die Bronzestatue eines Edelmanns aus dem siebzehnten Jahrhundert mit Perücke und Wams härtete die Keramik mit einer Lötlampe aus.
    »Sie hat von mir verlangt, dass ich die Vertragsarie singe, dann ist sie abgehauen – allein nach St Paul’s. Wenn du mich fragst, ist deine Tochter inzwischen tot.«
    Paul erwiderte den starren Blick des Mönchs ausdruckslos. Diesen Schluss wollte er nicht akzeptieren. Es war jetzt zu einem Grundsatz seines Glaubens geworden, dass seine Tochter noch lebte: zu seiner Heilsdoktrin. Es musste einfach irgendeinen Weg für ihn geben, alles wiedergutzumachen.
    Womöglich erkannte der alte Bordsteinpriester das in Pauls Augen, denn er schnaubte leise durch seine steinernen Nasenlöcher. »Tut mir leid, Junge, wirklich. Ich weiß, wohin sie gegangen ist, und wir werden uns ebenfalls dorthin auf den Weg machen, aber das ist ein Großangriff, keine Rettungsmission.«
    Er hielt kurz inne, dann fuhr er fort: »Falls dir das was hilft, so und nicht anders hat sie’s gewollt.« Seine Gestalt verschwamm für einen Moment, und im nächsten stand er wieder mit dem Rücken zu Paul, mit anderen Dingen beschäftigt.
    »Dann will ich kämpfen«, sagte Paul zu dem glimmergesprenkelten Hinterkopf.
    Der Mönch stieß ein entgeistertes Lachen aus. »Womit denn? Die werden dich abschlachten wie ’n zehn Wochen altes Kälbchen.«
    »Geht dich das was an?«, fragte Paul barsch.
    »Weißt du was? Jetzt hör ich die Familienähnlichkeit.« Für den Bruchteil einer Sekunde klang der Mönch amüsiert, dann verschwand alles Scherzhafte aus seiner kiesigen Stimme. »Wer bin ich schon, dass ich mich als Einzelner zwischen einen Mann und seinen Selbstmord stelle?«, murmelte er. In seinem Ton lag tödlicher Ernst. »Obadja!«, rief er.
    Paul schauderte, als der bronzene Edelmann ihm eine Handvoll roten Ton auf den Nacken klatschte.
    »Keiner meiner Soldaten zieht ohne Uniform in die Schlacht«, sagte der Mönch. »Abmarsch in dreißig Minuten. Weitermachen.«
    Er stutzte, als ihm offenbar ein Gedanke kam. »Eine Frage noch, Mr Bald-bin-ich-tot.« Den Anflug von Neid in den Worten des Mönchs konnte Paul nicht überhören. »Wieso bist du dermaßen fest entschlossen zu kämpfen?«
    Paul griff in das Becken mit Ton und verteilte eine doppelte Handvoll des kühlen, schweren Schlamms auf seinen Wangen. Wenn das Zeug fest ist , dachte er, bleibt mein Gesicht für alle Ewigkeit erhalten . Er bemühte sich, nicht so ängstlich auszusehen, wie er sich fühlte. »Weil das hier Beths Kampf ist, und weil Väter so was nun mal für ihre kleinen Mädchen tun«, antwortete er.

Kapitel 47
    Nichts zu sehen, bloß Dunkel, nichts zu atmen als staubiger Frost. Nichts zu sein als geduldig wie eisenzerfressender Rost.
    Hm, das sollte ich mir eigentlich merken. Klingt nach etwas, das Pen gefallen könnte.
    Stein schrammte über Beths Haut, während sie durch den Tunnel kroch. Immer wieder stieß sie in der pechschwarzen Dunkelheit gegen die Wände, obwohl sie sich mit den Fingerspitzen behutsam vorantastete. Sie selbst hatte darauf bestanden, die Führung zu übernehmen. Victor hatte zuerst heftig gemurrt, sich jedoch irgendwann mit einem knurrigen »Ladies first« gefügt.
    Hier und da zwängte der Tunnel sie ein, wurde enger als ein Sarg, eng wie ein Geburtskanal, sodass sie die Arme nach vorn strecken, die Ellbogen verkeilen und sich wie eine Raupe vorwärtsschieben musste. Den Speer hatte sie sich auf den Rücken geschnallt, und ihr Nacken warf unter dem eisigen Metall beinahe Frostbeulen.
    Beth hasste die Enge, doch noch mehr beunruhigte sie, wie tot dieser Ort war: Nirgends floss Energie, nirgends war Leben zu spüren, wo ihre nackte Haut die gemauerten Wände berührte. Das ganze Viertel hier war zerstört, seine Lebenskraft ausgesaugt. Eiskalte Panik kroch in Beths Kehle, und sie

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