Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
auf Halshöhe quer in den Durchlass gespannt, bereit, tief in Beths Kehle zu schneiden. Mit wild rudernden Armen versuchte sie verzweifelt, ihren Ansturm zu bremsen, doch sie fand nicht mehr rechtzeitig Halt auf dem losen Bruchgestein. Sie schluckte, als die Widerhaken ihren Hals kitzelten.
Bleiche Finger schossen nach vorn und rissen den Draht zur Seite, im letzten Moment, bevor Beth in die Kammer stürzte. Sie rollte sich ab und kam sofort auf die Beine, den Speer erhoben. Zuckend suchten ihre Augen ein Ziel, auch wenn ihr Arm nicht zustoßen wollte.
Victor wankte ein paar Schritte vorwärts, dann taumelte er zurück. Die Sehnen an seinem Hals stachen scharf hervor. Eine Hand hielt den Strang gepackt, den er vom Eingang weggerissen hatte, die andere krampfte sich um seine Kehle, wo die Schlingen der Meisterin sich tief ins Fleisch schnitten. Perlende Blutstropfen glitzerten auf seiner Haut. Er war weiß wie der Tod, doch er brachte ein Lächeln zustande.
»Nicht sorgen, Zarin.« Sein Atem ging schnell und keuchend. Er bog sich zurück und zerrte an den Drähten. Seine Halsmuskeln bebten. Adern erschienen auf seinem Gesicht wie Risse in Glas. »Drüben bei Moskau ich siebenmal Tauzieh-Champ–«
Ruckartig zog die Schlinge um seinen Hals sich zu. Beth hörte ein widerliches organisches Knirschen.
Die Drahtmeisterin straffte ihre Spulen und schleuderte Victor mit abscheulicher Wucht gegen die Wand. Er fiel leblos zu Boden, sein Kopf eine breiige Masse aus Knochen, Haaren und blutiger Wolle.
Beth fletschte die Zähne und knurrte, voller Entsetzen und Wut. Sie blickte auf Pen und sah nur das Monster. Unwillkürlich packte sie den Speer fester, dann griff sie an.
Der Preis des Zorns war Anmut. Leichtfüßig wich die Meisterin dem behäbigen Vorstoß aus. Nadelspitze Drähte schwirrten, und ein greller Schmerz zuckte über Beths Wange.
Sie wirbelte herum, riss den Speer hoch, doch im Griff der Meisterin bewegte Pen sich mit teuflischer Schnelligkeit. Ein gewaltiger Hieb traf Beths Niere. Pens Faust drehte sich, während die Widerhaken sich in Beths Seite gruben und den Stoff samt dem darunterliegenden Fleisch aufrissen.
Beths Schrei erfüllte die Kammer, und reflexartig schwang sie den Speer herum. Knirschend donnerte er gegen Pens Rippen.
Unfähig zu schreien, sackte Pen erbärmlich stumm auf ein Knie.
Blut quoll aus Beths Hüfte. Wie von Sinnen vor Schmerz, hob sie den Speer über den Kopf, um ihn ihrer besten Freundin in die Brust zu stoßen. Blitzartig lösten Drähte sich von Pens Schultern, peitschten nach vorn und wickelten sich um Beths Arme, sodass sie sie nicht mehr rühren konnte. Brodelnde Panik stieg in ihr auf, und zugleich auch eine leise Erleichterung.
Schwankend kam Pen auf die Füße, während sie Beth wachsam beäugte. Drahtstränge wogten in der Luft wie schwimmende Algen, schlängelten sich auf Beth zu. Die Zeit verging plötzlich langsamer. Neugierig, fast zärtlich strichen die Ranken ihr übers Gesicht, wie um es kennenzulernen. Sacht betasteten sie die Speerspitze, dann rollten sie sich wieder ein.
Der Speer , schoss es Beth durch den Kopf. Der Draht fürchtet den Speer.
Unter Aufbietung aller übermenschlichen Kräfte in ihren Muskeln löste Beth ihren Griff um die Waffe und sprang jäh zur Seite, sodass sie die schlaffen Drähte spannte, die sie noch immer gepackt hielten. Sie warf sich gegen die Wand.
Pens Kopf zuckte ihr nach, entsetzlich schnell.
Ihre Schulter grub sich schmerzhaft in das Gestein, doch Beth hatte den Draht straff gezogen, und den Bruchteil einer Sekunde später fuhr der fallende Speer mit glattem Schnitt durch sie hindurch.
Die Meisterin riss Pens Lippen auf, und sie schrie.
Im nächsten Augenblick gaben die Fesseln Beths Schultern frei, und sie schnappte sich ihren Speer, doch noch während Pen schrie, trieb die Meisterin ihre Faust geradewegs in Beths Gesicht.
Beth taumelte. Ihre Zähne splitterten, ihre Lippen waren glutheiß und geschwollen.
Die Drahtmeisterin forcierte den Angriff, ließ Schlag auf Schlag niederprasseln, zwang unglaubliche Kräfte durch Pens geschundenen Körper. Beth wich zurück, wehrte mit ihrem Speer so viele Schläge ab, wie sie konnte, doch andere Hiebe landeten auf ihrer Stirn, ihren Augen, ihrem Gesicht. Ein stählerner Dorn riss ein Stück ihres Ohrläppchens ab, und Beth spürte, wie es in ihren Kragen trudelte.
Plötzlich knickte ihr rechtes Bein unter ihr weg, sodass sie auf den Rücken stürzte und der Speer ihr klirrend
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