Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
Kannst du aufstehen? Ich könnte dich tragen – Scheiße, sieh dich nur an, Kleine, du bist total im Arsch.«
»Dabei hab ich bisher immer so sehr auf mein Aussehen geachtet«, stieß Pen ein kratziges Lachen hervor. »Ich sag dir was, B, wir rollen dich in Stacheldraht ein und vermöbeln dich mit ’ner Eisenstange, und dann gucken wir mal, ob du dann noch ’nen Schönheitswettbewerb gewinnst.« Sie versuchte, mit ihren verstümmelten Lippen zu lächeln. Dann schluckte sie, und das halbe Lächeln verging. »Hör zu, B: Du musst Reach aufhalten.«
Ihre Augen waren weit aufgerissen, aber Beth wusste nicht zu sagen, ob vor Verwunderung oder vor Entsetzen. »Dieses Drahtmonster – seine Stahldornen waren in meinem Kopf; ich konnte seine Gedanken lesen. Wir haben Reach angebetet, wie einen Gott.«
Wir haben angebetet. Wir , nicht es . Ihre Stimme zitterte unter der Gewalt, die ihr angetan worden war. »Reach reißt die ganze Stadt auf, er baut sich in ihre Haut«, krächzte sie. »Er wird sie töten . Er ahnt nichts davon, aber er tötet alles .«
»Ich weiß«, sagte Beth. »Ist mir egal – es spielt keine Rolle. Nichts von alldem spielt jetzt ’ne Rolle. Ich muss dafür sorgen, dass du wieder auf die Beine kommst.«
Abermals schälte Pen sich dieses verstümmelte Lächeln von den Zähnen. »Ist echt süß von dir, aber trotzdem Bullshit.«
»Na schön, leck mich«, fauchte Beth wütend. »Ich werd dich jetzt Kacke noch mal hier raustragen.« So behutsam sie konnte, schlang sie die Arme um Pens zerschundenen Körper und machte sich daran, sie hochzuheben.
»Au! Au! B!«, hauchte Pen. »Wenn ich tatsächlich verbluten würde, wär’s schon vor Tagen so weit gewesen. Pakistani , schon vergessen? In meiner Verwandtschaft gibt’s ungefähr vierhundert Ärzte. Ich weiß, wovon ich rede. Würdest du jetzt endlich abhauen ?«
Beth schüttelte trotzig den Kopf. Sie startete einen neuen Versuch, ihre Freundin anzuheben.
»Hast du eigentlich irgend’ne Ahnung, wie wir hier rauskommen?«, fragte Pen. »Das hier ist ’n Labyrinth, weißt du das?«
Beth erstarrte, als Pen schwach auf einen der Ausgänge aus der Kammer deutete. »Du hast Glück. Ist nicht weit. Bloß achtzig Meter in die Richtung und du bist bei Reach. Einfach geradeaus. Kannst ihn nicht verfehlen.«
»Und der Weg hier raus?«, fragte Beth. Aber sie wusste schon, was jetzt kam.
Blutige Zähne schimmerten durch die Lücke zwischen Pens Lippen, als sie den Mund zuklappte. Sie schüttelte den Kopf. Es war die einzige Möglichkeit, wie sie Beth dazu bringen konnte, sie hier zurückzulassen. Den Mund zu halten. »Tut mir leid.«
Schwerfällig stand Beth auf und griff nach ihrem Speer. Ein greller Schmerz jagte ihr über die Haut, doch offenbar war keiner ihrer Knochen gebrochen. Sie konnte noch immer davonlaufen. Sie konnte noch immer kämpfen. Frust brodelte in ihr auf und sie schlug hart gegen die Wand. Ihre Faust grub sich zentimetertief in das Mauerwerk, von weiter oben rieselten Mörtel und Staub herab.
Pen wirkte verschreckt. »Dass du angepisst bist, hab ich schon kapiert, B; nicht nötig, mir noch extra die Decke auf den Kopf fallen zu lassen.«
Als ihre Freundin verstummte, hörte Beth plötzlich wieder den Lärm, der nie ganz verschwunden gewesen war: das wilde Gebrüll von Reachs Maschinen, nur achtzig Meter entfernt.
»Dieses Bild, das du von mir gezeichnet hast«, sagte Pen endlich, als müsste sie Beth zumindest ein winziges Stück entgegenkommen, »auf der Brandmauer von meinem Haus. Das war gut. Hat mir gefallen.«
Beth grinste verlegen. »Ich hatte gehofft, dass du dir vielleicht ’n Gedicht dazu ausdenkst.«
Pens entstellter Mund zuckte. »Also schön.
Da war mal ’ne Kleine aus Hackney,
Die sagt mir, sie lässt mich im Stich nie.
Sie gerät aus der Bahn, ich bleib dicht an ihr dran,
und dann packt mich so ’n stachliges Drahtvieh.«
Sie warf Beth einen Blick zu. »Ist bloß ’n Limerick, aber ich bin grade etwas eingerostet, du verstehst schon.«
Beths Ohren glühten vor Scham. Sie schwieg.
»’tschuldige«, sagte Pen kurz darauf, »ich bin nur – «
»Ich weiß, Pen.« Beth straffte ihre Schultern und wandte sich dem Ausgang zu, auf den Pen gezeigt hatte. »Danke.«
Pen atmete flach, wie jemand, der eine Panikattacke unterdrückt. »Du weißt, ich liebe dich, B, aber das hier tu ich nicht für dich«, flüsterte sie. »Das hier tu ich für mich . Ich will das hier wollen.«
Beth verstand nicht, wovon ihre
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