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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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auch so abgerieben und wäre schließlich nichts weiter als Staub gewesen, aber Pen fühlte sich besser damit, der Sache ein wenig nachzuhelfen.
    Sie hörte den Staubsauger aufheulen und darüber hinweg ihre Mutter, die zufrieden vor sich hin sang, während sie sich wieder in ihren Eine-Frau-Dschihad gegen den Hausstaub stürzte. Pens Mum hatte Schränke voller Kleider, die noch immer in ihren ursprünglichen Plastikhüllen steckten. »Die sind nur einmal neu, mein Schatz«, gluckste sie oft zufrieden, »ich spar sie mir für einen besonderen Anlass auf.«
    Genau so hatte Pen sich gefühlt, als sie mitten am Tag von der Schule nach Hause gekommen war und behauptet hatte, ihr sei übel; als ihre Mutter sie gierig begrüßt, keine Fragen gestellt und sie zur Sicherheit gleich ins Bett gesteckt hatte: aufgespart für einen besonderen Anlass . Versiegelt wie ein Kleid in Plastik, Staub ansetzend.
    Pen konnte nicht aufhören, an Salts Büro zu denken. Es hatte scharf nach Desinfektionsmittel gerochen. Pen hatte dagesessen, starr vor Angst. Sie hatte erwartet, dass er sie anbrüllen würde, aber das tat er natürlich nicht, das tat er nie. Stattdessen hatte er aus Beths Schulakte vorgelesen: die kleineren Festnahmen wegen Ladendiebstahls und Sachbeschädigung, das Prügeln, das Schuleschwänzen. Ihre Uniform sei schmuddelig, sagte er; er wisse, dass sie am Wochenende Gemälde auf dem Camden Market verkaufe; er vermute, dass sie in der Schule an jedem zweiten Tag der Woche Cannabis verticke.
    Die Frostfield High habe keinerlei Aktenvermerk über die Berufstätigkeit von Beths Vaters, hatte er betont, und Mr Bradley sei nicht ein einziges Mal auf einem Elternabend erschienen.
    »Ich kann daraus nur schließen«, sagte er mit gespieltem Bedauern, »dass sie sich ganz allein durchschlägt. Und dann ist da natürlich noch diese kleine Sachbeschädigung, die zu begehen du ihr geholfen hast.«
    Mit einem Wink seiner Hand hatte er Pens Protest weggewischt. Er wisse einfach, dass es Beth gewesen sei, freilich wisse er das, Beweise hin oder her. Es gebe schlicht keinen andern, der es gewesen sein könne.
    »Die Leute vom Jugendamt werden selbstverständlich ihre eigene Beurteilung vornehmen«, sagte er mit grimmiger Genugtuung, »aber ich glaube, der Fall ist eindeutig, und deiner kleinen Freundin steht bald ein Umzug bevor.«
    Es fühlte sich an, als hätte er einen Stecker aus Pens Magen gezogen. Das Taggen mitten in der Nacht, durch die Straßen zu ziehen, der Zugang zur Stadt, zur Nacht – all das war Beth. Sie in irgendein Waisenhaus zu stecken wäre ihr Tod.
    Pen hatte gedacht: Sie hat das für dich getan.
    »Ich möchte das nicht tun, Parva«, hatte Salt gesagt und sich dabei nach vorn gebeugt, sodass sie den Morgenkaffee in seinem Atem riechen konnte, »aber sie hat einen schrecklichen Einfluss auf dich. Es ist deine Zukunft, die sie zerstört.« Er hatte innegehalten, als wäre ihm der Gedanke eben erst gekommen, und dann bedächtig gesagt: »Ich schätze, wenn ich ein echtes Engagement von dir sähe für diese Zukunft, eine wirkliche Bereitschaft, dich zu ändern, könnte ich das hier vielleicht vergessen.« Er hatte auf die Akte geklopft.
    Widerwillig sah Pen ihm in die Augen. Sie verrieten nichts als tiefe Besorgnis. Er verhöhnte sie, ließ sie ihre Ohnmacht spüren – zeigte ihr, wie grandios er sich darauf verstand, unschuldig auszusehen.
    »Zweimal die Woche, nach der Schule«, hatte er sanft gesagt. »In diesem Büro. Mathenachhilfe. Ich bring’s dir bei.«
    Pen hatte geschluckt, ihr Mund war trocken, dann noch einmal, bis sie endlich die Kraft fand zu nicken.
    Salts Stimme war härter geworden. »Ich will, dass deine kleine Freundin verschwindet, Parva: Darüber verhandle ich nicht. Sie kann aus meiner Schule verschwinden oder aus ihrem Zuhause. Du hast die Wahl.«
    Dann hatte er sie angelächelt. »Es bleibt unser Geheimnis«, hatte er gesagt, und er hatte sich über den Schreibtisch gebeugt und sie auf den Mund geküsst.
    Jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich, als sie den Schweiß in den Falten an seinem Nacken roch, seine Bartstoppeln über ihr Wangenbein kratzen fühlte. Seine hornigen Fingerkuppen wanderten ihren Rücken hinunter, drängten sich unter den Gummizug ihrer Unterwäsche.
    Sie wusste nicht, ob er sie wollte, weil sie ihm gefiel oder weil er ahnte, wie sehr es ihr wehtun würde. Sie wusste nicht, ob es für jemanden wie ihn da einen Unterschied gab.
    Ihr Herz schrumpfte in sich zusammen bei

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