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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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dem Gedanken daran, ihre Mutter könnte herausfinden, dass sie nicht mehr neu war. Was würde dann aus dem besonderen Anlass werden?
    Als sie später im Büro der Rektorin gestanden und Beths verwundeter Blick sie durchbohrt hatte, hatte Pen schreien wollen: Wag es ja nicht, mich zu hassen! Ich hab das für dich getan!
    Doch sie hatte es nicht gekonnt. Sie hatte dastehen und mit ansehen müssen, wie Beth sich von ihr abwandte, die Augen voller Entsetzen über den Verrat. Und nun hasste Beth sie, Pen wusste, dass sie es tat, gerade jetzt, wo sie sie am dringendsten brauchte.
    Es missfiel ihr, dass sie B brauchte. Ein winziger, boshafter, wütender Teil ihres Herzens erwiderte Beths Hass.
    Die Zugluft vom Fenster strich über ihren Hals. Sie stand auf, um es zuzumachen, und hielt inne. Der Glatzkopf hockte in einem zerbeulten Wagen, der ein paar Meter entfernt am Straßenrand stand. Sie starrte ihn an, doch der Mann machte keinerlei Anstalten, den Zündschlüssel zu drehen. Er sah nicht bedrohlich aus. Seine Schultern waren eingesunken, er wirkte vollkommen niedergeschlagen.
    Sie biss sich auf die Lippe. »Mum«, rief sie auf Englisch hinunter, »ich werd noch ein bisschen schlafen. Kannst du Dad bitten, mich nicht zu stören, wenn er nach Hause kommt?«
    Das Einverständnis ihrer Mutter schwebte die Treppe herauf. Parva schüttelte sich den Morgenmantel von den Schultern und zog ihre Jeans und ein T-Shirt über. Sie nahm ihren Hidschab von dem gesichtslosen Schaufensterpuppenkopf neben ihrem Spiegel und legte ihn sich sorgfältig um.
    Was tust du? , fragte eine Stimme in ihrem Kopf. Er ist ein Fremder, ein fremder Mann . Es ist gefährlich.
    Sätze wie diese verfolgten sie jetzt, aber sie durfte sich ihnen nicht ergeben. Beth würde das auch nicht tun. Sicher hätte Beth sogar Salt die Stirn geboten. Pen hasste diesen Gedanken, aber da war er, hing an ihrem Verstand wie ein Blutegel: Wäre sie nur ein klein bisschen mehr wie Beth gewesen, sie wäre in Sicherheit .
    Pen arrangierte die Bettdecke und die Kissen, sodass sie einem flüchtigen Kontrollblick standhalten würden, und machte das Licht aus.
    Nachdem sie tagelang zu ihrer Zimmerdecke hinaufgestarrt hatte, kam Pen das Sonnenlicht schmerzhaft grell vor, der Himmel erschien ihr stechend blau. Ihr Herz fühlte sich an wie ein Kolibri, gefangen in ihrem Brustkorb. Es waren kaum Leute unterwegs, und dennoch zuckte sie kurz zurück, wenn jemand zu dicht an ihr vorüberging. Sie versuchte sich zu beruhigen und nahm all ihren Mut zusammen, bis sie sich endlich in der Lage fühlte, hinüberzugehen und ans Fahrerfenster zu klopfen.
    Der Mann schreckte auf und starrte sie an. Sofort schwand ihre Angst. Es lag nichts Bedrohliches in seinem Blick. Er hatte schlaffe Wangen. Sein Gesicht sah aus, als hätte die Schlaflosigkeit ihm alle Spannkraft ausgetrieben.
    Das Fenster surrte herunter. »Parva«, begann er unsicher, und dann: »Pen?«
    Bei dem Namen zuckte Pen zusammen. Sie hielt den Kopf schräg. »Wer sind Sie, Mister?«, fragte sie, obwohl sie sich jetzt sicher war, dass sie es bereits wusste – er war erst der zweite Mensch, der sie jemals so genannt hatte.
    »Ich heiße Paul Bradley. Hab gehört, du wärst krank – danke. Danke, dass du mit mir redest.« Er klang jämmerlich erleichtert. Dann fragte er: »Hast du meine Tochter gesehen?«
    Nein; ich hab sie nicht gesehen, ich werd sie wahrscheinlich nie mehr wiedersehen – und es ist mir völlig egal, ob’s so kommt. Es ist mir egal, ob sie ihre eigenen Sprühfarben getrunken und ’n Bild an die Wand gekotzt hat und dran verreckt ist , dachte Pen, doch was sie sagte, war: »Was ist mit Beth?«
    Mr Bradleys gezwungenes Lächeln erstarb. »Ich hab gehofft, du wüsstest es«, antwortete er. »Können wir uns unterhalten?«
    »Ich kann nicht lang bleiben«, sagte Pen. »Ich hab meinen Eltern erzählt, dass ich krank bin.«
    »Bist du’s denn nicht?« Er klang verwirrt.
    Pen überlegte kurz. »Doch«, antwortete sie, »aber nicht auf ’ne Art, von der sie irgendwas wissen können.«
    Er drückte auf einen Schalter, und der Knopf in der Beifahrertür sprang hoch. »Wir können hier drin reden, wenn du möchtest, es ist kalt draußen.«
    Pen erstarrte, spürte, wie sie gefror. Bei der Vorstellung, zu diesem Mann ins Auto zu steigen, fühlten sich sogar ihre Haare kalt an. Sie blickte auf den Schalter, den er gedrückt hatte, auf die Knöpfe an den Türen, dann schüttelte sie knapp den Kopf.
    »Okay«, sagte er, »wo

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