Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
Beth ein leichter Schauer über den Rücken bei dem Gedanken daran, dass er sterben könnte. Es war das Erste gewesen, was er ihr über sich erzählt hatte: Jemand versucht mich zu töten.
»Nee«, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Ist echt nett.«
Kapitel 17
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«
»Absolut.«
Mr Bradleys Finger trommelten auf dem kleinen Stapel von Fotos herum, den sein Drucker ausgespuckt hatte. Pen kannte die Bilder ziemlich gut, denn sie hatte sie selbst mit ihrem Handy gemacht. Eigentlich wäre sie gern überrascht gewesen, dass er tatsächlich kein aktuelles Foto von seiner Tochter besaß.
Für alle Fälle hatte sie auch ein paar Kopien von der Skizze des dürren Jungen ausgedruckt; es war immerhin möglich, dass sie jemanden fanden, der ihn wiedererkannte.
Mr Bradley zögerte kurz, dann sagte er: »Parva, du bist Beths beste Freundin. Ich will, dass du weißt … also wenn sie nicht … na ja, wenn wir sie nicht … « Er murmelte nur noch. »Na ja, dass es mir leidtut.«
Pen zuckte zusammen, gab jedoch keine Antwort.
Seine Worte tröpfelten in die Stille. »Beth war schon immer eher Mariannes kleines Mädchen als meins. Als Marianne starb, hab ich … hab ich mich in mich selbst zurückgezogen, es war, als säße ich dort in der Falle.« Er schluckte. »Ich hab’s nicht raus geschafft zu Beth. Ich hab’s versucht , in mir drin hab ich versucht einen Weg zu finden, mich aufzuraffen, aber ich konnte sie nicht erreichen.«
Sie hätte dich nicht an sich rangelassen , dachte Pen. Und ich an ihrer Stelle hätte dich auch nicht an mich rangelassen.
»Ich … «, fuhr er fort, »ich hab einfach keine Ahnung gehabt, wie ich das machen soll: ein sorgender Vater sein. Da war ja nichts Greifbares . Ich bin nicht sonderlich gut in solchen Sachen, Gefühlssachen, meine ich. Sie fallen mir einfach nicht leicht. Was hätt ich denn tun sollen?«
Pen schaffte es nicht, mit irgendeiner Plattitüde zu antworten. Sie biss sich auf die Lippe, dann sagte sie leise: »Sich mehr anstrengen.« Sie stieg aus dem Wagen und stapfte die wackligen Holzstufen hoch.
Sie hörte, wie die Fahrertür zuschlug, als Mr Bradley ebenfalls ausstieg und ihr keuchend die Treppe hinauf folgte.
»Na los, Mr B«, sagte sie, um die Peinlichkeit des Augenblicks zu überspielen, »das Training wird Ihnen guttun. Ich wette, sie ist – « Sie brach ab.
»Was?«, fragte er, aber dann sah er es auch und verstummte.
Vor ihnen führte die Brücke ins Nichts. Die Treppe auf der anderen Seite war verschwunden, heruntergerissen, die Enden der Bohlen ragten wie abgebrochene schmutzige Fingernägel in die Schwärze.
Und es war Schwärze, die dort herrschte. Sämtliche Laternen waren erloschen, und von dem betonierten Platz zwischen den Wohnblocks war nichts zu sehen. Dahinter schimmerte kurz ein schwaches Licht, das kaum durch die Finsternis drang, dann war es fort.
Mr Bradley sah sich verwirrt um. »Wie kommen wir – ?«, murmelte er, doch Pen war bereits hinuntergesprungen.
Glas knirschte unter ihren Füßen, als sie landete. Hier unten vermochte sie den Platz wenigstens leidlich zu überblicken. Ihr stockte der Atem.
Alles hier war buchstäblich auseinandergerissen worden.
Die Laternen waren umgestürzt wie metallene Bäume, Drahtwurzeln sprossen aus ihren Betonsockeln. Die Glaskörper waren zertrümmert, Scherben und Splitter lagen verstreut auf dem Boden.
Sie hörte ein lautes Ächzen, gefolgt von einem gedämpften Fluchen. Mr Bradley tauchte an ihrer Schulter auf. »Was ist hier passiert?« Er klang völlig verstört.
Pen wollte antworten, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt, sodass sie kein Wort herausbrachte. Sie starrte auf den Ort, von dem sie geglaubt hatte, ihre beste Freundin würde dort auf sie warten, und wo sie nun nichts fand als die Spuren ungeheurer Gewalt.
Das Licht auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs schimmerte wieder. In dem schwachen Schein glitzerte etwas neben Pens Füßen. Sie schrie auf.
Mr Bradley rief: »Was ist los?«
Pen deutete auf den Boden, als das Licht abermals aufflackerte. Eine abgetrennte Hand krallte sich in die Bohlen, die einst die Stufen der Brücke gewesen waren.
Mr Bradley fiel auf die Knie und griff danach. »Oh Gott, oh Gott – « Seine Stimme versagte kurz, dann überschlug sie sich fast vor Erleichterung. »Parva, alles ist gut … « Er hielt das Ding hoch. »Sieh her, Parva, die ist nicht echt, sie ist – au! Sie ist aus Glas, es ist eine
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