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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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worauf ihr irgendwelche Ansprüche zu haben glaubt. Reach macht die Stadt dem Erdboden gleich, reißt sie Block für Block nieder. Meint ihr, euer reines Allerheiligstes , euer beschissenes Ghetto oder wie immer ihr’s nennen wollt – meint ihr, es könnte dem Abrissgott widerstehen? Meint ihr ernsthaft, ihr würdet euch besser behaupten als eure gelbe Verwandtschaft?«
    Es war eine bewusste Provokation. Die Weißhells zuckten verärgert bei dem Wort »Verwandtschaft«, und ein oder zwei von ihnen lichtmorsten etwas, aber Victor schrie zornig: » Njet! Nicht für Dame!«, und das Flackern erstarb.
    Beth brachte die Glasmänner mit ihrem Blick aus der Fassung und sie konnte spüren, wie geschockt sie darüber waren. Sie wusste, sie hatte immer noch ihre Aufmerksamkeit. »Ihr seid stolz auf eure Geschichte, so viel hab ich verstanden«, fuhr sie fort, »aber Reach schert sich nicht drum, wer eure Vorfahren waren, wer ihr mal wart . Er tötet euch als die, die ihr seid . Und er wird keine Sekunde lang zögern.« Dann fügte sie leise hinzu: »Wenn ihr Jungs also ’ne Zukunft wollt, müsst ihr die Vergangenheit ruhen lassen.«
    Das war sie, ihre Pointe. Beth verstummte, ihr Herz klopfte wild. Der helle Schein der Lampenmänner kam ihr mit einem Mal viel bedrohlicher vor, so wie er sich jetzt über sie ergoss.
    Plötzlich tauchte Fil neben ihr auf. »Das war unglaublich bescheuert«, murmelte er, »aber unglaublich.«
    Sie wurde rot.
    »Die Art, wie du über Reach redest – «
    »Der jagt mir ’ne Scheißangst ein … «
    »Echt? Dem Flussgott sei Dank! Hab schon gedacht, du wärst bloß zu bekloppt, um vor irgendwas Angst zu haben.«
    Lucien marschierte mit staksigen Schritten im Kreis, glühte lichterloh und fuchtelte aufgebracht mit den Armen. Er sah aus, als würde er einem Flugzeug Landeanweisungen geben.
    »Er sagen, ihr voll mit was, das ich für nette Dame nicht übersetzen«, rief Victor.
    Beth schluckte hart, doch einer der anderen Weißhells, ein kleiner Kerl mit einem sanft glühenden Bauch, hatte sich aus der Gruppe gelöst. Nach einem betretenen Blick zurück auf den wutentbrannten Ältesten ging er zögerlich auf Beth zu. Als er vor ihr stand, lichtmorste er, und sogar Victor klang überrascht, als er übersetzte: »Er will folgen. Er sagen, er will kämpfen.«
    Beth schnappte nach Luft. Ihr Herz fühlte sich an wie ein Ballon, bis kurz vor dem Platzen prallvoll mit Euphorie. Dann wurde ihr schlagartig etwas bewusst: Jeder Einzelne hier beobachtete sie. Die Weißhells musterten sie immer noch wie eine Außenseiterin, jedoch nicht mehr wie einen Eindringling. Gott , dachte sie verwirrt, die wissen, dass ich recht habe .
    Hinter ihrem prahlerischen Getue, ihrer Verleugnung, schlummerte in den Glasmännern tiefe Angst. Was hatte Fil gesagt? Je stärker Reach wird, umso ängstlicher werden die Leute …
    Schätze, es ist nicht sonderlich schwer, ’n Anführer zu werden , überlegte sie. Man muss einfach bloß ’nen Schritt vortreten, wenn alle andern nach einem Ort suchen, an den sie sich flüchten können.
    Jetzt im Moment, dachte Beth bitter, würden die wahrscheinlich sogar einer Sockenpuppe hinterherrennen, solange sie ihnen nur einen Ausweg bot – und solange sie nicht dafür bekannt war, mit ihren bernsteingelben Erzfeinden zu fraternisieren .
    Langsam, einer nach dem anderen, schoben sich weitere leuchtende Männer aus der Gruppe zu ihnen herüber. Lucien protestierte noch immer, flackerte heller und heller, doch Beth erkannte den Fehler, den er beging: Sein Geschrei bewies, dass er sie ernst nahm, und das gab den anderen die Erlaubnis, sie ebenfalls ernst zu nehmen.
    Ein großer, muskulöser Weißhell und ein schlaksiger zweiter mit scharfem Blick ergriffen sich bei den Schultern. Sie flüsterten miteinander in einem weichen Flirren, dann nickten sie und umarmten sich. Sie gingen auf die Menschen zu und schüttelten erst Fil und dann Beth die Hand. Sie kamen offensichtlich als Paar.
    »Also«, wisperte Beth und bewegte dabei kaum die Lippen, »darf beim nächsten Mal ich das Reden übernehmen?«

Kapitel 20
    Rund um die Abrissfelder bei St Paul’s ragten Hochhäuser auf, schwarze Schemen vor dem unvollkommenen Dunkel der Stadt. Sie bildeten eine Art äußeren Rand um Reachs Festung, und über jeder Gasse und jedem Weg, der hineinführte, krümmte sich bedrohlich ein Kran.
    Elektra lief auf dem Dach eines Tante-Emma-Ladens hektisch auf und ab, flackerte sich gegen die Nacht das Herz aus dem

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