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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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kurzes, angedeutetes Lächeln, und Beth konnte sehen, dass er sich Mühe gab, amüsiert zu wirken. Sie glaubte auch einen Hauch von Bewunderung darin zu erkennen.
    Victor grinste breit und verpasste Beth einen Schlag auf den Rücken. »Du bist nette Mädchen, ich komm mit für aufpassen, dass du nicht zu schrecklich getötet.«
    Beth war in Hochstimmung. Als ihr Blick auf Lucien fiel, reckte sie kurz ihre Faust in die Luft, doch er ignorierte die Geste stolz. Es spielte keine Rolle, dass es nicht mehr als hundert Glasmänner waren; was zählte, war, dass sie diese Hundert auf ihre Seite gebracht hatte. Sie hatte bewiesen, dass sie hierhergehörte, hierher, in diese fremdartige Stadt.
    Als Fil den Trupp in das Labyrinth der Gassen führte, fiel das Leuchten der Weißhells von den Brandmauern auf sie zurück, vermischte sich mit ihren Schatten: marschierende Soldaten des Lichts und des Dunkels. Leise Geräusche – Londoner Geräusche: das Grollen eines Nachtbusses durch verlassene Straßen, betrunkenes Grölen, dröhnende Bässe – hallten aus der Ferne herüber. Sie wandelten über ein feines Flechtwerk der Realität, eingearbeitet in das Pflaster. Es war eine Spur, ausgeschliffen durch Jahrhunderte der Magie, eine Spur, in die jeder hineinstolpern konnte.
    Jeder könnte , dachte Beth, aber ich hab’s getan .
    Victor kam derweil ins Plaudern. »Ich war Oberst bei KGB . Keine Sorge, den Sauhaufen hier ich bringen auf Vordermann in Nullkommanix.«
    » KGB ?«, sagte Beth. »Ich dachte, du warst in der Armee.«
    »War in beiden, meine kleine Zarin, in Moskau – «
    »Du hast was von Sankt Petersburg gesagt.«
    »Davor Moskva.«
    »Du warst beim russischen Ballett und so?«, fragte Beth, die allmählich skeptisch wurde.
    » Njet , hatte aber mal Freundin, die war.«
    Beth schenkte dem Landstreicher in seinem muffigen Wintermantel ein Lachen. »Diese Freundin, war die ’n viel schöneres nicht beklopptes Mädchen?«, fragte sie.
    »Schöner, da . Nicht bekloppt, njet , verrückt wie Tintenfisch in Wodka. Alle Ballerinas so.« Er kicherte.
    Sie bogen in ein schmales Sträßchen ein, gesäumt von kleinen, mit Stahlläden verrammelten Fenstern und zerbeulten Treppenhaustüren. Der Anblick ließ Beth seltsam unruhig werden – ein winziger Funke des Wiedererkennens zuckte ihr durch den Kopf, heller als das Gefühl anonymer Vertrautheit, das sie in fast jeder Londoner Straße beschlich. Kurz darauf kamen sie an einer vollgesprayten Mauer neben einem Eckladen vorbei, und mit einem Mal wusste sie, woher ihre Unruhe kam.
    Sie blieb stehen und starrte auf das Mauerwerk. Unscheinbar inmitten all der grellbunten Graffiti stand dort etwas geschrieben, mit schwarzem Filzstift, so sehr verblasst, dass nur noch drei Buchstaben zu lesen waren:
    e i n.
    »Was guckst du dir da an?« Fil kam auf sie zugeschlendert. »Ein? Ein was?«
    Ein leises »Oh« rutschte Beth über die Lippen. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand eine feine Klinge in den Brustkorb geschoben. Das hier hieß nicht »ein«, nicht wirklich. Sie wusste genau, was dort stand.
    Sie war dabei gewesen, als Pen es geschrieben hatte.
    Es war einer von diesen warmen Septembernachmittagen gewesen, die der Sommer hinter sich herzieht wie ein lahmes Bein. Die Sonne schien brütend von einem unendlichen Himmel, und in der Straße roch es nach Bäumen und glutheißem Asphalt. Pen und sie saßen auf dieser Mauer, ließen die Beine baumeln und beobachteten den Verkehr, während sie über Pens Handy Radio hörten, sich ein Paar Kopfhörer teilten, hier und da mitsangen und sich anschließend kaputtlachten.
    Das Stück wechselte, eine Ballade wurde gespielt.
    »You saved me!« , begann Beth übertrieben schmachtend vor sich hin zu singen, sobald sie die Melodie erkannt hatte. »Girl, your love saved my liiiife – «
    Sie witterte Pens miese Laune schon, noch ehe das schlanke pakistanische Mädchen sich im nächsten Augenblick mit einem verächtlichen Schnauben den Kopfhörer herunterriss. »Was für ’n Haufen Bockmist«, sagte sie.
    Beth seufzte und zog am Dosenring ihrer Coke. Es gab eigentlich nur eine einzige Sache, bei der Pens Mund sich dazu hinreißen ließ, so was wie ein Schimpfwort zu bilden, und sei es auch nur ein schwaches wie das eben. Und falls sie jetzt erneut dieses Gespräch führen würden, würde Beth Koffein brauchen.
    »Bockmistige Liebeslieder mit bockmistigen Texten, also Bockmist von vorne bis hinten!«, blaffte Pen.
    »Leon hat dich wieder nicht

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