Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
Heiligen Gaslampen können verfolgen.«
» Flussblutsakrament! Ihr seid KEINE Gaslampen!«, schrie Fil Lucien an. »Es gibt verflucht noch mal keinen Einzigen von euch, der auch nur eine Unze Geistergas in seinen Adern hat. Bloß weil ihr ’ne Winzigkeit blasser seid, haltet ihr euch für heilig ? Thems! Ihr seid Metall und Glas und Funken, genauso wie die Natriumiten … « Er brach ab, die Augen weit aufgerissen. Er wusste, dass er etwas Dummes gesagt hatte.
Lucien explodierte, ein hochmütig beleidigter Ausdruck lag auf seinem Gesicht. »Wie kannst du’s wagen, uns mit diesem Bersteinpack, diesen dreckigen Lampendieben zu vergleichen!« Victor übersetzte, während der Glasmann wutentbrannt lichtmorste. »Natürlich wissen wir alle, wie viel du für sie übrig hast – wie ausführlich du fraternisierst mit ihrem kleinen Prinzesschen .«
»Bloß weil du nie mit was anderm fraternisiert hast als mit deiner rechten Hand«, murmelte Beth.
Alles erstarrte, dann richteten sich mit einem Mal sämtliche Blicke auf sie: ein Dutzend glühender Köpfe, und Fil, seine schreckgeweiteten Augen zwei bleiche Inseln in seinem schmutzverkrusteten Gesicht. Da erst begriff Beth, dass dieses Lampenvolk taub war; selbst Fils Geschrei hatten sie ihm von den Lippen abgelesen. Und jeder auf dem Platz konnte sie sehen – was bedeutete, dass sie alle wussten, was sie gerade gesagt hatte.
Beth leckte sich über die rissigen Lippen. Ihr Hals war trocken, sie errötete vor Verlegenheit. Hämisch grinsend sah Lucien sie an, und sie fühlte, wie ihr die Abneigung gegen diesen todlangweiligen Glasbürokraten aus sämtlichen Poren dampfte.
Lucien vollführte mit seiner Hand ein paar herablassende Gesten, und Victor rutschte unruhig hin und her, als er die Blitze für sie übersetzte: »Immer hübsch raus damit, kleines Fleischgör. Wenn du was zu sagen hast – «
Der Blick, den Fil ihr zuwarf, hätte Backsteine durchbohren können, aber Beth hätte eher ihre eigene Sprühfarbe getrunken, als zuzulassen, dass irgendwer so mit ihr redete.
Sie stand auf und zog ihre Kapuzenjacke zurecht. »Also schön«, murmelte sie und marschierte in die Mitte des Platzes. Die Weißhells wichen zurück, als sie an ihnen vorbeiging. »Keine Sorge«, knurrte sie, »das Gör wird euch schon nicht fressen. Ich werd bloß ’n paar Wörtchen reden.«
Genau im Zentrum des Hofs blieb sie stehen. Fil sah sie an, als stünde sie unter Starkstrom. Entschlossen stemmte sie die Hände in die Hüften. Sie hatte eine vage Idee, was sie sagen würde – es war ziemlich bescheuert, aber wenn sie nicht auf ihn hören wollten, weil sie ihn für parteiisch hielten, würden sie ja vielleicht, nur vielleicht, auf jemand Außenstehenden hören. Auch wenn sie nichts weiter war als ein kleines Fleischgör .
»Ihr Typen könnt mich alle verstehen, richtig?«, rief sie. »Ihr alle könnt meine Lippen lesen?«
Eine paparazziartiges Blitzlichtgewitter war die Antwort.
»Die sagen da «, dolmetschte Victor überflüssigerweise, offenbar um zu zeigen, dass er seine Rolle ernst nahm.
Ihr Blick war fest auf Lucien gerichtet. Sie konzentrierte sich darauf, wie befriedigend es wäre, ihre Kniescheibe mit seinen gläsernen Hoden bekannt zu machen, und ihr Nervenflattern ließ etwas nach. Dann befeuchtete sie ihre trockenen Lippen und sagte: »Wisst ihr, da wo ich herkomme, gibt’s auch solche Typen wie euch, alte Männer – die sind immer alt , hocken in Fernsehstudios und machen nichts anderes, als lautstark von der ›guten alten Zeit‹ zu palavern und davon, was für großartige Burschen sie mal waren und wie derbe man sie beschissen hat, und jetzt halten die sich für altgedient und glauben, dass man ihnen was schuldet.«
Sie lächelte humorlos. »Aber nicht ein Einziger von diesen zänkischen, jammernden alten Mistkerlen hat für die Welt jemals irgendwas richtig Entscheidendes bewirkt.«
Sie trat in die Gruppe der Weißhells, die eine Gasse bildeten, ihr Platz machten, bis Beth, in ihrer Mitte angekommen, Lucien demonstrativ den Rücken zukehrte, ihn blind machte für ihre Lippen, ihn ausschloss. Es war die krasseste Geste der Respektlosigkeit, die ihr auf die Schnelle einfiel. Die Glasmänner hatten ihr nervöses Herumgezappel inzwischen eingestellt, und jedes einzelne der glühenden Augenpaare war jetzt fest auf sie gerichtet.
»Der, gegen den wir kämpfen, steuert die da.« Sie deutete auf den Horizont und die Kräne. »Und es interessiert ihn einen Scheißdreck ,
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