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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kommende Untersuchung der Reflexe, vor allem aber die Feststellung einer Lähmung, ergaben erst ein klares Bild. Der erste Eindruck war verschwommen – die Pupillen waren reaktionslos, der Mund nicht verzogen, also keine Mundfazialisparese, dagegen fiel der hochgehobene rechte Arm ohne jeden Tonus rasch an den Körper zurück.
    Es dauerte lange, bis Vandura und der Gärtner den schweren Hellersen ausgezogen hatten. Als er nackt auf dem Bett lag, ein weißlicher Fettberg, fragte sich Vandura, warum niemand diesem Menschen gesagt hatte, daß sein Wohlleben seinen Tod bedeutete, daß er sich selbst zugrunde richtete. Und wenn ein Arzt ihm das gesagt hatte, war es noch verwunderlicher, daß Hellersen die Warnungen ignorierte und einen stufenweisen Selbstmord begonnen hatte.
    »Sie können gehen«, sagte Vandura zu dem Gärtner. »Und erzählen Sie keinem, wie Ihr Brötchengeber nackt aussieht. So schön ist er nicht.«
    Der Gärtner warf noch einen Blick auf den Ohnmächtigen, schüttelte dann stumm den Kopf und verließ schnell das Zimmer.
    Vandura begann mit seiner eingehenden Untersuchung.
    Grundgelenkreflex – negativ.
    Hervorrufen eines Schmerzreizes – die Abwehrbewegungen waren ungestört. Vandura versuchte es noch einmal – er drehte eine Hautfalte über dem Sternum. Beide Körperseiten reagierten sofort.
    Bauchdeckenreflexe – keine Anzeichen einer Lähmung.
    Aber dann stutzte Dr. Vandura.
    Unter der Fettschürze des Bauches lag Hellersens Geschlecht. Geschwollen, gerötet. Vandura zog seine dünnen Gummihandschuhe an und tastete es ab. Sein erster Eindruck, sein plötzlicher Schrecken bewahrheitete sich: Bruno Hellersen war eine Gefahr für seine Umgebung. Eine tödliche Gefahr vor allem für Katja.
    Vandura warf die Steppdecke über Hellersen, zog die Handschuhe aus, steckte sie in einen Chrombehälter und injizierte noch eine Spritze mit Cordalin. Die zyanotische Verfärbung des Gesichtes ließ langsam nach, die Cheyne-Stokesche Atmung wurde wieder normaler.
    Hellersen lag ruhig im Bett, über seine Lider lief ein Zittern.
    Vandura ging zu dem rosa Marmorwaschbecken im Hintergrund des Zimmers, seifte seine Hände ab und trocknete sie sorgfältig. Als er sich umdrehte, hatte Hellersen die Augen aufgeschlagen und starrte ihn an.
    »Guten Morgen«, sagte Vandura und warf das Handtuch über den zerbrochenen Rokokostuhl. »Freuen Sie sich, daß Sie mich sehen … Sie waren ganz nahe am Eingang zum Paradies oder zur Hölle, wie Sie wollen. Sie lehnten sozusagen an der Tür.«
    »Hinaus!« stammelte Hellersen. Es machte ihm Mühe, die Worte zu formen und auszustoßen. »Hinaus, hinaus …«, lallte er mühsam.
    »Einen Apoplex hatten Sie noch nicht – aber er wird kommen! Zu Ihnen muß man ehrlich sein, da nützen keine ärztlichen Floskeln. Wenn man von Ihnen eine Venographie machte, würde man einen ganzen Kalkberg in Ihrem Adersystem entdecken! Den sollten Sie abbauen, so schnell wie möglich. Außerdem wissen Sie, daß Sie geschlechtskrank sind –«
    Bruno Hellersen versuchte, sich auf die Ellenbogen zu stützen. Es mißlang. Er fiel aufs Bett zurück und krallte in maßloser Wut die Finger in die Steppdecke.
    »Hinaus!« schrie er. Es sollte ein Brüllen werden, aber nur ein hohles Röcheln kam aus ihm heraus. »Ich … ich zeige Sie an. Hausfriedensbruch. Ich will Sie nicht sehen – Dr. Zemmitz …«
    »Sie waren ein Notfall. Ich habe als Arzt die Pflicht, bei allen Notfällen sofort einzugreifen, ob dem Patienten mein Gesicht gefällt oder nicht. Selbstverständlich werde ich sofort den Kollegen Zemmitz benachrichtigen, damit er die weitere Behandlung übernimmt.« Dr. Vandura schloß seinen Arztkoffer und zog sein Jackett wieder an. Er hatte es ans Bett gehängt, als er Hellersen gründlich untersuchte. »Weiß Dr. Zemmitz, daß Sie geschlechtskrank sind?«
    »Ich breche Ihnen alle Knochen, wenn ich wieder gehen kann – das verspreche ich Ihnen. Hinaus …« Hellersen keuchte. Aber er war schon wieder so kräftig, daß er die Faust ballen konnte. »Wo ist meine Frau?«
    »Unten in der Halle.«
    »Wissen Sie, wo sie die ganze Nacht über war?«
    Dr. Vanduras Gesicht blieb ausdruckslos. »Nein –«, sagte er ohne Zögern. »Warum fragen Sie mich?«
    »Sie Beichtvater der Frauen! Wissen Sie nicht alles, was hier in Grünwald in den Ehebetten passiert?! Meine Frau hat sich herumgetrieben, die ganze Nacht. Wundert Sie das? Hat Ihnen das Engelchen vorgespielt, was? Tränchen im Auge und anderseits … na

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