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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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indem sie immer und überall, wo man sie fragte, schlicht sagte: »Ich bin glücklich. Mehr kann man nicht sagen.«
    Das war rührend, ließ sich herrlich verkaufen und trieb den Frauenvereinen in den USA die Tränen in die Augen. Eine Glanzleistung dabei war ein Gedächtnisgottesdienst für den toten Pierre Nolet – während die Ehrengäste mit ernster Miene die Kirchenlieder sangen, verteilte Zobel Fotos von Vandura in der Maske Pierre Nolets. Es war ein voller Erfolg.
    »Man muß die Kuh melken, bis sie trocken steht«, sagte Zobel, als Vandura sich weigerte, auch nur eine Minute weiter zu posieren. »Ich weiß, man wird mich herzlos nennen, geschmacklos und was weiß ich noch alles – aber ich lebe davon. Ich habe einen Beruf zum Kotzen, aber er ist herrlich! Die Welt aufreißen vom Hintern bis zum Kragen, wer kann das schon als nur wir?! Lieber Doktor, für Sie beginnt in ein paar Wochen wieder der normale Tag. Patienten, Untersuchungen, Diagnosen, Therapien, Forschungen, Publikationen, Hausbesuche, abends ein Glas Wein, Fernsehen oder Plattenspieler, vielleicht Theater und Oper – ein Leben voller Sicherheit, ein Leben im Dienste der Nächstenliebe, im Namen der Medizin. Aber bei mir? Von mir verlangt man Sensationen, und bringe ich keine, stehe ich vor meinem Chefredakteur wie ein Bettnässer! Doktor – gönnen Sie mir Ihre Story –«
    Vandura sah es ein, aber er zog sich doch zurück. Im ›Saint Georges‹, dort, wo sein Wüstenabenteuer mit Dr. Karabasch begonnen hatte, mietete er ein kleines Appartement. Katja zog zu ihm – sie gehörten zusammen, sie zeigten es der Welt.
    Im Radio überstürzten sich die Meldungen. Die Rebellen hatten zum Großangriff angesetzt. Syrien unterstützte sie mit Panzereinheiten, die Beduinenreiter des Königs Hussein kämpften gnadenlos gegen die Freischärler, sie machten keine Gefangenen mehr. Wo sie weggingen, hinterließen sie Leichen und Blut. Selbst in die Moscheen drangen sie ein und töteten die Palästinenser unter den Augen Allahs.
    Das Gesetz der Wüste herrschte im Land: Lebe oder stirb. Der Stärkere, der Grausamere allein ist der Herr. Dr. Karabasch drohte, alle europäischen Geiseln in Zukunft auch hinrichten zu lassen. »Überall ist nur Betrug und Lüge«, sagte er in einem Fernsehinterview aus seinem Hauptquartier in der Nähe des Flüchtlingslagers Wachdat. Seine Worte klangen bitter und voll Enttäuschung. »Wir wollen mit der Ehrlichkeit kämpfen, weil wir ein ehrliches Anliegen haben. Aber man zwingt uns zu einer anderen Haltung. Nun werden auch wir mit Feuer und Schwert operieren.«
    Es war der zweite Abend nach ihrer Rückkehr nach Beirut, als Katja und Vandura auf dem Balkon ihres Appartements lagen, durch bunte Planen vor den Blicken der Neugierigen geschützt. Sie hatten die Liegestühle eng zusammengerückt, und Katja hielt Vanduras Hand fest, als habe sie Angst, er könne durch einen neuen entsetzlichen Zaubertrick wieder verschwinden. Sie trug einen weißen Bikini, ihre Haut war braun gebrannt und glatt, und sooft Vandura zu ihr hinüberblickte, streifte sein Blick ihre Schönheit, die ihn von neuem bezauberte. Aber das Gefühl, Besitzer dieser weiblichen Schönheit zu sein, kam nicht in ihm auf. Im Gegenteil – er dachte an Laila Husseini, die Braut der Revolution, an ihre schwellenden Brüste und die Gluthitze, die sie ausströmte, wenn er sie umarmte. Er dachte an die Nächte im Wüstenzelt und auf den harten Pritschen des Notlazaretts, er hörte ihren Atem an seinem Hals und ihre kehligen Laute, die wie das Heulen eines Schakals klingen konnten.
    Wie anders war Katja. Sie versank in Zärtlichkeit wie in einem Meer und ertrank fast darin. An ihr war keine Wildheit wie ein Sandsturm, sondern die anschmiegsame Sanftheit eines willenlos gewordenen Geschöpfes, das nichts anderes mehr kennt als völlige Hingabe.
    Zwei Welten – auch in der Liebe.
    »Woran denkst du?« fragte Katja. Vandura schrak zusammen.
    »An … an die Zukunft«, sagte er gedehnt.
    »Warum lügst du? Du denkst an sie – an Laila …«
    »Ja.«
    »Liebst du sie?«
    »Das gleiche hat sie mich auch gefragt.«
    »Und was hast du geantwortet?«
    »Ich weiß es nicht. Ja, das habe ich gesagt: Ich weiß es nicht. Ich liebe Laila, und ich liebe dich. Verrückt ist das, ich weiß, aber du verlangst eine ehrliche Antwort.« Vandura setzte sich, griff nach einem Glas Orangensaft und trank langsam das mit Eisstücken versetzte Getränk. Die Kühle tat ihm gut, sie durchrann ihn,

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