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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fuhren dann weiter.
    Beim Morgengrauen erreichten sie Damaskus. Und hier verloren sie die alte Frau wirklich. An der Stadtgrenze sprang Laila unbemerkt ab und ging zu Fuß weiter. Hinter einem verfallenen Haus zog sie sich um, warf die alten Kleider weg, wusch sich an einer Viehtränke den Lehm und die Farbe aus dem Gesicht und wurde wieder Laila Husseini, die Braut der Revolution, die Rache nehmen wollte für die Stunden ihrer Schwachheit.
    Nach ein paar Minuten stand sie an der Endhaltestelle einer Omnibuslinie. Um acht Uhr morgens betrat sie die Halle des Flughafengebäudes von Damaskus, eine junge, hübsche Frau in einem modernen, kurzen Sommerkleid, mit wehenden schwarzen Haaren, einer großen Sonnenbrille und weißen, französischen Schuhen. Damaskus war eine reiche Stadt – in seinen Läden an der Hauptstraße konnte man die neuesten Pariser Modelle kaufen, die besten Parfüms, die exklusivsten Schuhe, den teuersten Schmuck.
    Mit der Sicherheit einer Frau, die auf den Fluglinien zu Hause ist, kaufte sich Laila ein Ticket nach Beirut. Die Morgenzeitungen brachten ein Bild von Dr. Vandura, wie er auf der Terrasse des Hotels ›St. Georges‹ saß und Eis aß.
    Laila hatte das Bild lange betrachtet. Dann war sie aus dem Fluggebäude gegangen, hatte sich eine versteckte Stelle im Winkel eines Anbaues gesucht, das Zeitungsblatt auf den Boden gelegt und mit einem Messer die Augen aus dem Bild Vanduras gestochen. Das verstümmelte Antlitz faltete sie dann zusammen und schob es zwischen ihre Brüste in das Kleid.
    »Du sollst nie wieder eine Frau anlächeln«, sagte sie dabei. »Die Augen werde ich dir als erstes ausstechen …«
    Um zehn Uhr hob sich die Maschine von der Piste ab und flog über Damaskus. Laila blickte nicht hinaus – sie sah an sich herunter, auf den Ausschnitt ihres Kleides, auf das zusammengefaltete Zeitungsblatt mit den toten Augen Vanduras. Ihr Herz zuckte, und es schlug wie toll, als unter ihr die weiße Stadt am Meer auftauchte: Beirut, das steingewordene Märchen. Das Tor zum Zauber des Orients.
    »Hakim-Pascha –« sagte Laila und legte beide Hände vor ihr Gesicht. »Lauf weg – lauf ganz weit weg –, verstecke dich … Ich komme!«
    In einem eleganten Bogen landete die Maschine in Beirut.
    Der Tod betrat die Piste. Der Tod in einem Minikleid und mit einer roten Rose im schwarzen Haar.
    Vandura bereitete seine Abreise vor. Es war alles in Ordnung – aus Deutschland lag ein Telegramm vor, das ihm das Tor zum neuen, alten Leben wieder öffnete.
    Was bisher noch nicht schriftlich vorlag, hatten Zobel und seine Redaktion erreicht: Die Staatsanwaltschaft bestätigte die Einstellung des Verfahrens, die Ärztekammer hob die Approbationssperre auf. Das große Haus in Grünwald, die Patienten, aber auch die anderen Arztkollegen warteten auf Dr. Vandura.
    »Wenn er wirklich zurückkommt«, sagte Dr. Zemmitz im Kreise seines Ärztestammtisches, »wenn er die Stirn hat, als ehemaliger Hakim-Pascha wieder unter uns zu praktizieren, vielleicht auch noch mit Wüstenmethoden, dann wissen wir ja, was uns blüht! Ich kann die Kammer nicht verstehen, daß sie einem solchen Hasardeur die Approbation wiedergibt. Aber das ist dieser verfluchte liberale Kurs, der uns noch an den Abgrund bringt. Wenn jeder tun und lassen kann, was er will – meine Herren, wo ist da eine Ordnung?! Ordnung ist ein straffer Zügel, wie bei einem Pferd – ich sage Ihnen, dieser Vandura wird wieder für Unruhe sorgen …«
    So war in München alles vorbereitet auf Vandura, bevor dieser noch seine Koffer in Beirut gepackt hatte.
    Bernd Zobel hatte auch für diesen letzten Tag etwas Besonderes arrangiert: einen Ausflug entlang der Küste. Das war nichts Sensationelles, aber was Zobel noch im Koffer hatte, wußte keiner. Ungefähr zehn Kilometer von Beirut entfernt warteten vier vermummte Männer auf den Bus, spielten einen Überfall und sollten verschwinden, wenn eine der Frauen – es war die stellenlose Schauspielerin Renate Bebel – einen Herzanfall bekam. Zobel hatte viel Geld auspacken müssen, ehe sich die vier Männer, sonst biedere Limonadenverkäufer in der Altstadt von Beirut, überreden ließen, dieses Spiel mitzumachen. Es war nämlich nicht ganz ungefährlich. Da niemand außer Zobel und Renate Bebel eingeweiht waren, konnte es leicht einen Banditenalarm geben, Militär und Polizei rückten aus, und was man mit Straßenräubern im Orient vollführt, wenn man sie erst gefangen hat, weiß jeder.
    Zobel zerstreute die

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