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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bedenken mit Piasterscheinen. Für ihn kam es nur darauf an, Vandura in Aktion als Arzt zu sehen … Vandura, kniend im Wüstensand und eine Injektion gebend. Vandura beim Abhorchen des Herzens. Vandura als Hakim-Pascha – das war Zobels Ziel. Ein Bild des Wüstenarztes. Freiwillig war Vandura nie bereit gewesen, vor der Kamera zu posieren.
    »Darauf ist sogar der Ami nicht gekommen«, sagte Zobel stolz zu sich. »Das einzige Foto vom Hakim-Pascha habe ich!«
    Um elf Uhr fuhr der Bus zu seiner Küstenfahrt ab – eine Viertelstunde später stand Laila in der Halle des ›St. Georges‹ und fragte nach Dr. Vandura. In der Handtasche trug sie eine kleine, perlmuttbesetzte Pistole – ein Spielzeug, aber ein tödliches, wenn man das Herz oder die Stirn trifft.
    »Dr. Vandura ist außer Haus«, sagte der Chefportier. Er beachtete die junge Dame kaum. Telefone schrillten überall, Pagen rannten herum, die Post wurde verteilt.
    »Wann kommt er wieder?« fragte Laila.
    »Das weiß ich nicht. Kann ich etwas bestellen?«
    »Nein, danke. Ich muß ihn persönlich sprechen.«
    Sie stand unschlüssig herum, ging dann zu dem Zeitungsstand, kaufte sich die neueste Ausgabe der Beirut-Gazette, las, daß Dr. Karabasch in einem Interview gesagt haben sollte, er werde bis zur Vernichtung des Haschemitenhauses kämpfen, trank an der Eisbar einen eiskalten Flip und stand dann an der großen Tür, die hinaus in den Garten und das blaue Schwimmbecken führte.
    Noch ein paar Stunden Leben, dachte sie. Man sollte noch einmal schwimmen, sich noch einmal naß in der Sonne dehnen, das Prickeln des trocknenden Wassers auf der Haut spüren, noch einmal träumen … Dann wird die ewige Dunkelheit kommen –
    Sie zuckte zusammen, als hinter ihr eine höfliche Stimme erklang. Ein Mann, den sie vorher nie gesehen hatte, sprach sie an, auf englisch. Er war kein ausgesprochener Europäer, schwarzhaarig und mit einem buschigen Schnurrbart unter der Nase. Seine dunklen Augen glänzten.
    »Sie suchen Dr. Vandura?« fragte der Mann. Lailas Gesicht wurde unbeweglich.
    »Sie irren sich. Ich kenne keinen Vandura …«
    »Dann habe ich vorhin Laute aus einer anderen Welt gehört.« Der Mann verbeugte sich leicht. »Kemal Gürzel. Ich bin Türke. Ich habe in Istanbul eine Exportfirma, bin glücklich verheiratet und habe neun Kinder. Sie sehen, ich gehe nicht auf Abenteuer aus. Ich wollte Ihnen nur helfen …«
    Laila zögerte. Sie musterte Gürzel kritisch, und er hielt ihrem Blick stand. Nur das Flimmern in seinen Augen störte sie. Aber das konnten Lichtreflexe sein – die Sonne spiegelte sich auf den geschliffenen Bodenplatten wider.
    »Was wissen Sie von Dr. Vandura? Ich wollte ihn sprechen, aber es ist nicht so dringend. Wann kommt er wieder?«
    »Gegen Abend. Aber wir können ihm entgegenfahren. Er macht einen Ausflug in die Ruinen von Baalbek. Ich habe mir für den Aufenthalt in Beirut einen Wagen gemietet, und wenn Sie wünschen, fahren wir in die Ruinenstadt. Kennen Sie Baalbek?«
    »Nein.«
    »Um so mehr ein Grund, Vandura dort zu überraschen.«
    »Woher kennen Sie Dr. Vandura?«
    »Wer kennt ihn hier nicht? Schlagen Sie irgendeine Zeitung auf – überall lesen Sie seinen Namen.« Kemal Gürzel rieb über seinen buschigen Schnurrbart. »Fahren wir?«
    »Ja«, sagte Laila. »Überraschen wir ihn in Baalbek.«
    Zum erstenmal verließ sie ihr Gefühl für Gefahr. Sie folgte Gürzel und drückte die Handtasche mit der kleinen Pistole an ihre Brust.
    Die Fahrt nach Baalbek, zu den riesigen Ruinenfeldern, in dessen imposantem Tempeltorso jedes Jahr die Festspiele mit Opern und Balletten stattfinden, diese wundersamen Zeugen einer uralten Kultur, vor der der heutige Mensch klein und stumm wird, weil er die Größe der Vergangenheit kaum begreifen kann, verlief schnell auf einer gut ausgebauten Straße, Kemal Gürzel erzählte von Istanbul, von seiner Frau und seinen neun Kindern und bog kurz vor dem eigentlichen Tempelbereich, den man nur mit Eintritt besichtigen kann, nach rechts ab in den noch unaufgeräumten, wilden Teil der Ruinenstadt. Hier lag der Schutt der Jahrhunderte fast unberührt, Tamarisken und Zedern, wilde Rosenbüsche und Dornengestrüpp überwucherten die Hügel und die zahlreichen Höhlen, die Hausruinen und ausgegrabenen Keller.
    Irgendwo in diesem Gewirr von Trümmern hielt Gürzel an. Verwundert sah Laila um sich. Sie waren allein. In der Ferne ragten die Säulenhallen des Venustempels in den blaßblauen Himmel, dort stauten sich

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