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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Luft gesprengt, wenn man ihren Forderungen nicht nachgegeben hätte.«
    »Aber Sie leben noch!«
    »Und warum? Weil man zu Kreuze gekrochen ist! Die Guerillas waren zum Mord bereit. Zum hundertfachen Mord! Ich habe nur in ihrer Sprache geantwortet. Vandura …« Gürzel beugte sich nach vorn und legte Vandura die Hand auf die Schulter. Seine Finger zitterten. »Kehren Sie um. Schweigen Sie. Niemand wird diese Laila vermissen, keiner wird es je erfahren, daß sie eingemauert ist. Was gilt hier schon ein Mensch?«
    »Für mich ist ein Mensch das Höchste. Ich bin Arzt!«
    »Sie ist eine Teufelin!«
    »Wer kennt Laila wirklich – nicht einmal ich! Und jetzt halten Sie den Mund, hören Sie mit Ihren Rechtfertigungen auf –«
    Der Wagen raste die gut ausgebaute Straße nach Baalbek hinunter. Omnibusse begegneten ihnen, Kolonnen von Ausflüglern, die zurück nach Beirut fuhren, voll vom Zauber einer vergangenen, großen Epoche. Sie nahmen einen Hauch römischer Größe mit. Schon von weitem sahen sie den riesigen Venustempel und die Propyläen mit ihren zwölf roten Granitsäulen und den vergoldeten Bronzekapitellen, von Scheinwerfern angestrahlt – ein Märchen am Fuße der Libanonberge und an der Grenze der Wüste. Doch die beiden Insassen des Autos dachten nicht daran.
    Kemal Gürzel hatte das Gesicht an die Scheibe gedrückt und starrte in die helle Nacht hinaus. Halsbrecherisch hüpfte der Wagen über den nicht ausgebauten Weg zu den freien Tempelanlagen und den Hügeln, über die ein Widerschein des Scheinwerferlichtes glitt. Mitten zwischen den verstaubten Ruinen und Dornenbüschen, die keinen Touristenstrom anlockten, hielt Vandura an.
    »Wo?« fragte er hart.
    Gürzel öffnete die Tür und sah sich um.
    »Ich weiß es nicht …« stotterte er. »Nachts sieht alles anders aus – jede Ruine ist wie die andere … Und die Hügel … Ich weiß es nicht mehr.«
    Vandura sprang aus dem Wagen und zerrte Gürzel vom Sitz. Der dickliche Türke lehnte sich gegen den Kofferraum und begann wieder heftig zu schwitzen. Es war eine warme Nacht – das Libanongebirge wirkte wie ein Schutzschild gegen die nächtliche Kälte, die Felsen atmeten die Sonnenglut zurück.
    »Ich bin ein Mensch, der Frieden liebt und die Menschenwürde über alles setzt«, sagte Vandura langsam. Er packte Gürzel an den Aufschlägen des Anzuges und zog ihn nahe zu sich heran. »Das wissen Sie, Gürzel. Aber ich bin bereit, einmal, ein einziges Mal in meinem Leben alles zu vergessen und mit ruhigem Herzen und Gewissen Sie stückweise vom Leben zum Tode zu befördern, wenn Sie weiter behaupten, sich nicht zu erinnern. Zum letztenmal: Wo haben Sie Laila vergraben?!«
    Er schleuderte Gürzel zurück gegen den Wagen – es gab einen dumpfen blechernen Laut, und Gürzel sank in sich zusammen.
    »Wir müssen suchen …« jammerte er und hob abwehrend beide Arme. »Doktor, ich schwöre Ihnen – es war hier in der Gegend, vielleicht dort der Hügel … wir müssen sie absuchen … ich, ich erkenne meine Steinmauer wieder, wenn wir sie finden …«
    »Dann los!« Vandura gab Gürzel einen Stoß. Er stolperte vor Vandura her durch die Ruinen, mit hängenden Armen und gesenktem Kopf, als führe man ihn zur Hinrichtung.
    Eine halbe Stunde lang kletterten sie über Trümmer, Geröll, Schutt, Steinhaufen und Felsblöcke. Vom Venustempel herüber erklang jetzt Musik – süße Geigenklänge, unterbrochen von schmetternden Trompeten und Posaunen. Die Musik verteilte sich über das weite Trümmerfeld und ließ es plötzlich zu unheimlichem Leben aufblühen. Gürzel blieb stehen und schloß die Augen.
    »Beethoven –« sagte er verträumt. »Die Pastorale …«
    »Sie sollen nicht Beethoven bewundern, sondern Ihr Opfer suchen!« schrie Vandura. Er packte Gürzel am Genick und schob ihn vorwärts. Aber auch er war zusammengezuckt, als plötzlich das Sinfoniekonzert auf den Stufen des Tempels begann.
    »Hier –« sagte Gürzel auf einmal. Er blieb stehen und sah sich um wie ein witternder Hund. »Hier muß es sein. Dieser Säulentorso, ich erkenne ihn wieder. Hier habe ich Laila abgesetzt, um mir den Schweiß vom Gesicht zu wischen. Ein paar Meter weiter muß die Höhle sein …«
    Dieses Mal irrte sich Gürzel nicht. Nach ungefähr dreißig Metern standen sie vor einem zerklüfteten Felsen und einem Steinwall, der nicht anders aussah als die anderen Trümmerberge. Gürzel nickte mehrmals.
    »Hier …«
    Vandura atmete tief auf. Er warf die Arzttasche, die er an

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