Der Wüstenpalast
Razul!” Sie lachte verächtlich auf bei der Erinnerung daran, wie schnell der zuvor so liebevolle Ehemann ihrer Tante Susan sich nach der Hochzeit verändert hatte. “Mir ist sehr wohl bewusst, dass der arabische Mann all seinen Charme und seine Höflichkeit verliert, sobald er einer Frau den Ehering angesteckt hat. Dann fühlt er sich sicher. Dann zeigt er sein wahres Gesicht als Herr und Meister seines Hauses und Herrscher über alles, was sein ist. Und die viel begehrte und umworbene Braut wird zu einem weiteren Besitztum, das man nach Gutdünken benutzen und misshandeln kann. Nun, bevor du dich total von deiner Allmacht hinreißen lässt, gestatte mir, dir zu versichern, dass dieser Ring an meinem Finger mir nicht das Geringste bedeutet!”
Schweigend und finster sah Razul sie an.
Daraufhin zerrte Bethany sich den Ring vom Finger und warf ihn in hohem Bogen in das Wasserbecken. Er versank mit einem winzigen Spritzer.
Das spannungsgeladene Schweigen wurde immer dichter und schwerer.
“Dieser Ring ist das Symbol einer Farce!”, sagte Bethany, verärgert, dass ihre Stimme nach Rechtfertigung klang.
Blass und wie versteinert maß Razul sie mit hartem, dunklem Blick. “Dein Benehmen ist erschreckend, und du führst dich auf wie ein jähzorniges, verzogenes Kind. Du schlägst blind um dich, ohne zu bedenken, wen du dabei beleidigst. Ich vermute, das kommt daher, dass du dein Leben lang immer nur getan hast, was du wolltest. Aber glaube ja nicht, dass ich solche Auftritte dulden werde. – Hol den Ring da wieder raus!”, befahl er.
Zornrot und außer sich vor Empörung über seinen Tadel erwiderte sie seinen Blick. Ihr Atem ging schnell.
“Ohne ihn wirst du mein Haus nicht betreten”, fügte Razul grimmig hinzu.
“Fein! Den blöden Ring wollte ich sowieso nie haben!”, fuhr sie auf.
“Nein … Du wolltest, dass ich dich wie eine Hure behandele. Aber diese Hoffnung könnte sich durchaus noch erfüllen …”
“Wie bitte?” Bethany schnappte nach Luft.
“Mit jedem deiner beleidigenden Worte oder Gesten verringert sich meine Achtung vor dir. Ich sehe dich an und frage mich: Ist dies die Frau, um deretwillen ich meinen verehrten Vater gekränkt habe?”, entgegnete Razul barsch. “Was ein Tag der Freude hätte werden sollen, ist zu einem Tal der Tränen, des Unfriedens und der Reue geworden. Und meine Geduld ist am Ende. Hol den Ring aus dem Wasser, oder übernachte im Freien. Ohne den Ring werde ich dich nicht als meine Frau anerkennen!”
“Und du meinst, mir würde das etwas ausmachen?”
“Ich denke, du solltest mal erfahren, wie es ist, als Besitz behandelt zu werden, den man je nach Laune benutzen kann. Vielleicht wirst du dann zu schätzen wissen, dass ich dich niemals als ein niedriger stehendes Geschöpf behandelt habe … Bis jetzt.” Damit rauschte Razul davon.
Reglos wie eine Statue blieb Bethany stehen. Am Eingang zum Palast sah sie zwei Wachen. Sie hatte also Publikum. Eine mörderische Wut packte sie. Er will mir also eine Lektion erteilen, ja? Wie kann er es wagen, mich so von oben herab abzufertigen? Habe ich etwa darum gebeten, nach Datar geschleift und gleich zweimal verheiratet zu werden? Und wenn er dadurch seinen Vater gekränkt hat, ist das etwa meine Schuld?
Die Sonne schien unbarmherzig auf ihren schutzlosen, unbedeckten Kopf herab. Bethany zog sich in den Schatten der Bäume zurück und ließ sich schließlich auf die Knie fallen, was auf dem kalten Marmorfußboden recht unbequem war.
Ich hasse ihn … ich hasse ihn, wütete sie still vor sich hin.
Quälend langsam verging eine Stunde.
Bethany stand wieder auf, steif wie ein Brett, und zornige Tränen brannten in ihren Augen.
Sich hinabbeugend, tauchte sie eine Hand in das Springbrunnenbecken. Es war nicht sehr tief, und das Wasser kristallklar. Aber wie sollte sie diesen vermaledeiten Ring finden, wenn die Sonne wie verrückt auf der Oberfläche glitzerte? Da bemerkte Bethany ein besonders auffälliges Blitzen ungefähr in der Mitte des Beckens. Gefährlich weit streckte sie sich über das Wasser und verlor prompt das Gleichgewicht.
Wütend rappelte sie sich auf, bis auf die Haut durchnässt, grabschte nach dem Ring und stieg wieder aus dem Becken. Tropfnass stolzierte sie in den Palast hinein, wo sie bei jedem Schritt eine kleine Pfütze hinterließ.
Razul will Krieg? Den kann er haben, schwor Bethany sich hitzig.
Er hat nicht gewusst, dass du ihn nicht heiraten willst, wisperte ihr eine leise Stimme in
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