Der Wüstenpalast
ihrem Innern zu. Bethany versuchte, sie auszuschalten, doch die Stimme ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Du hast ihm seinen Hochzeitstag verdorben, ihn vor seiner Schwester und seinem Schwager in Verlegenheit gebracht und ihm jetzt erneut eine Beleidigung zugefügt.
Plötzlich und unerwartet fühlte Bethany sich zutiefst elend. Warum bist du denn nicht in diesen Hubschrauber gestiegen? fragte sie sich unglücklich.
Die Antwort war einfach. Die Drohung, Razul nie wiederzusehen, hatte sie gelähmt und ihre Selbstdisziplin außer Gefecht gesetzt.
Frierend und blind vor sich hinstarrend, wartete Bethany in einem ihr fremden Raum, während Zulema ihr irgendwo in der Nähe ein warmes Bad einließ.
Schließlich half ihr das Mädchen aus dem nassen Kaftan, der an ihr klebte wie eine zweite Haut, und dann ließ Bethany sich in das angenehm warme Bad sinken. Abwesend rieb sie sich den Arm, da sie oberhalb des linken Handgelenks einen leichten Schmerz verspürte.
“Sie möchten jetzt etwas zu essen, Mylady?”
Bethany, die aus ihren selbstquälerischen Gedankengängen erwachte, fand sich mit einem durchsichtigen weißen Seidennachthemd angetan. Unbehaglich sah sie an sich herab, und als sie dabei feststellte, dass ihre helle Haut durch das hauchzarte Gewebe hindurchschimmerte, erschienen rote Flecken auf ihren Wangen. “Nein danke.”
“Sie dürfen keine Angst haben, Mylady”, flüsterte Zulema ihr beschwichtigend zu.
“Angst, wovor?”
“Vor Prinz Razul …”
“Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie Angst vor einem Mann gehabt!” Doch Bethany wusste, dass das eine Lüge war.
“Wenn ein Mann das erste Mal zu seiner Frau kommt, ist es natürlich, wenn sie ein bisschen nervös ist.” Zulemas Lächeln war schüchtern und neckend zugleich. “Aber in dieser Nacht viele Frauen werden vor Neid seufzen und davon träumen, Ihren Platz im Bett des Prinzen einzunehmen.”
Bethany hielt den Atem an und warf einen ungläubigen Blick in Zulemas Richtung. Aber das Mädchen verließ bereits den Raum. Das konnte doch unmöglich …
Nein. Bethany schüttelte den Kopf. Razul kommt nicht zu mir. Bestimmt nicht. Eine Hochzeitsnacht, wie sie allgemein üblich wäre, kommt sicher nicht in Frage. Allerdings weiß Zulema ja nichts von unseren Feindseligkeiten.
Ruhelos nahm Bethany eines der Bücher zur Hand, die sie mit nach Datar genommen hatte – einen Reisebericht aus dem neunzehnten Jahrhundert über das Leben in der Wüste. Darin waren einige verblüffende, ja geradezu lachhafte Fehler enthalten, die die Fehlinterpretation des Schreibers und dessen Unwissenheit im Hinblick auf arabische Sitten und Gebräuche veranschaulichten.
Andererseits, habe ich mich Razul gegenüber nicht genauso überheblich und unfair verhalten? fragte sich Bethany, die sich nach ihm sehnte und sich dennoch für ihre Schwäche verabscheute …
Die Tür ging auf. Überrascht und die Brauen unwillig zusammengezogen, wandte Bethany sich um – und sah ihn. Ihr stockte der Atem, und einen Moment lang war sie wie gelähmt. Razuls leuchtender Blick traf sie quer durch den Raum und glitt dann mit solch intensivem Wohlgefallen über ihre leicht bekleidete Gestalt, dass in Bethany Wut und Verlegenheit gleichzeitig aufstiegen. Hastig griff sie nach dem Morgenmantel, den Zulema über einen Stuhl in der Nähe gehängt hatte, und hielt diesen schützend vor sich.
“Was willst du?”, fragte Bethany schrill.
Unvermittelt huschte ein amüsierter Ausdruck über Razuls Miene.
Beim Näherkommen nahm er den goldenen
iqal
und die Kopfbedeckung von seinem glänzenden dichten Haar. “Musst du da noch fragen?”
“Was tust du da?”
“Was glaubst du denn, was ich tue?”, gab er die Frage sogleich zurück.
Er war im Begriff, sich zu entkleiden, doch Bethany traute ihren Augen nicht.
“Ich dachte, das ist mein Schlafzimmer …”
“Heute Nacht ist es unser gemeinsames”, erwiderte Razul sanft.
“Ich bin nicht gewillt, diesen Raum mit dir zu teilen”, erklärte sie mit Nachdruck.
“Doch, du wirst.” Seine Bewegungen von geschmeidiger Anmut, betrachtete er sie. “Du bist meine Frau.”
“Rein offiziell gesehen …”
“Fürs Offizielle habe ich nicht allzu viel übrig.” Razul, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ, schüttelte den schwarzen Überwurf mit der Goldbordüre ab.
Bethany blieben die Worte beinahe im Hals stecken. “Moralisch gesehen …”
“Was könntest du schon über Moral sagen?”, unterbrach Razul sie
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