Der Wuestenplanet - Paul Atreides
doch er wusste, dass er nicht allen Lawinen, Sturzfluten, Geröllschlägen und Blitzen ausweichen konnte. Das Menschheitsbewusstsein verlangte anderes. Seine eigene schreckliche Aufgabe verlangte anderes. Ganz gleich, wie er sich entschied, viele würden ihr Leben lassen, bevor sie das gelobte Land jenseits der Berge erreichten.
Paul sah eine Kraft aus Prunk, Pomp und Bürokratie, eine Energie, die sich um ihn herum ans Werk machen würde. Die Anzeichen waren bereits deutlich zu erkennen. Zuerst würde sie als machtvolle und nötige Maschinerie erscheinen, doch schließlich würde sie metastasieren und wie Krebsgewebe wuchern. Paul wusste, dass er diesen bösartigen Tumor für eine Weile hinnehmen musste, weil er den Djihad mit Treibstoff versorgte.
Der Wüstenplanet war bereits jetzt der Angelpunkt des neuen Universums. Millionen und Abermillionen von Pilgern würden auf ihrem Hadsch herbeiströmen. Auf diesem geheiligten Boden würde man wichtige Entscheidungen fällen, und von hier aus würden Muad'dibs Legionen weiter in die entferntesten Winkel der Galaxis aufbrechen, um seinen Wünschen Nachdruck zu verleihen.
Von Arrakeen aus würde die geplante Zitadelle Muad'dibs ihr Licht auf die gesamte Galaxis werfen. Sein Palast würde gewaltig, atemberaubend sein. Das Volk und die Geschichte wollten es so.
Ältere Viertel und vereinzelte Slums waren bereits niedergerissen worden, um Platz für das kolossale Bauwerk zu schaffen. Nach Anbruch der Morgendämmerung des heutigen Tages sollten die Bauarbeiten planmäßig beginnen.
Die alte Residenz von Arrakeen würde den Kern der riesigen Anlage bilden, doch schon bald sollte der neue Palast alle äußeren Spuren des ursprünglichen Zuhauses der Atreides auf Arrakis verschlucken, das einst auch der Stützpunkt von Graf Fenring und Lady Margot gewesen war. Paul stand mit einem angespannten Korba und einem übermütigen Whitmore Bludd in einem Kuppelsaal und beobachtete die Reaktionen von Chani und Irulan.
Schwertmeister Bludd zeigte ihnen stolz schimmernde Modellprojektionen von den Gebäuden, Gärten und Wandelwegen der zukünftigen Zitadelle Muad'dibs. Allein die Baupläne füllten einen Großteil des Saals. Projektionstechniker legten eilig letzte Hand an einige der Modelle, stets unter dem wachsamen Auge von Hilfsarchitekten.
Bludd hatte herausragende Arbeit geleistet, die Wünsche und Vorstellungen so vieler Personen aufeinander abzustimmen, während er zugleich seine persönliche Vision für »die größte architektonische Meisterleistung der Menschheit« bewahrt hatte. Seit Jahren schon hatte er de facto alle Güter des Erzherzogs Ecaz verwaltet, und nun würde er die Heere von Arbeitern, den Strom des Baumaterials und das Budget koordinieren. Selbst die ärmsten Obdachlosen, die auf den trockenen Straßen Arrakeens schliefen, boten Muad'dib bereitwillig ihre letzten Münzen an.
Korba, der für das Qizarat sprach, steuerte Vorschläge für vier riesige Tempel bei, die auf dem Palastgelände errichtet werden sollten, verbunden mit dem Hauptzitadellenkomplex, der um das alte Anwesen herum entstand. Er beharrte darauf, dass die stadtgroße Anlage mit religiösen Statuen und verschiedenen spirituell bedeutsamen Objekten ausgestattet werden musste, noch bevor die ersten gewaltigen Mauerstücke hochgezogen wurden. »Jede Facette der Zitadelle muss die Person und die Legende des Imperators Muad'dib verherrlichen und ihm so seine angemessene Statur verleihen.«
Mit einem Blick in Korbas Richtung dachte Paul an seine übrigen Fedaykin und die Reinheit ihrer Hingabe. Damals, als die Schlachten einfach und der Feind klar zu erkennen gewesen war – die Harkonnens, die Sardaukar –, hatten sie geschworen, ihn mit ihrem Leben zu verteidigen. Viele dieser Elitekämpfer waren in eben diesem Moment in Djihad-Gefechte verwickelt – der treue Otheym, Tandis, Rajifiri und Saajid. Da er sich ihrer Fähigkeiten und ihres Muts bewusst war, setzte Paul seine Fremen – die lediglich einen Bruchteil seiner Streitkräfte darstellten – nur für die schwierigsten Eroberungen ein, für die blutigsten Schlachten.
Doch Korba, der ebenfalls ein Fedaykin war, hatte sich für einen anderen Weg zum Ruhm entschieden. Obwohl er raffiniert war, durchschaute Paul die Motive dieses Mannes: Während ein Krieger nichts weiter als ein Krieger war, verfügte der Kopf einer Religionsgemeinschaft über dauerhaftere Macht, die sich auf den immer weiter reichenden Einfluss Muad'dibs und die
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