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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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einzelnen Tischrunden stellten einander vor, Essenbestellungen wurden aufgegeben.
    Der erste Teil des Selbstmordseminars verlief wie ge-plant. Die Referentin, die Psychologin Arja Reuhunen, hielt einen ausgezeichneten Vortrag über Selbstmorde und ihre Prävention. Der Vortrag war das Ergebnis gründlicher Arbeit und dauerte länger als eine Stunde. Die Psychologin sprach sachlich ungeschminkt über Geisteskrankheiten, Ausnahmesituationen, wissen­ schaftliche Suizidforschung und vieles andere, das zum Thema gehörte. Ihre Ausführungen betrafen die meisten Zuhörer persönlich, sie lauschten mucksmäuschenstill und prägten sich jedes Wort genau ein.
    Nach Meinung der Referentin lag der mit Abstand wichtigste Grund für Selbstmorde in der Erlebnisunfä­ higkeit, also einer Situation, in der der Mensch in sei­ nem Leben nichts mehr fand, was ihm Spaß machte
    und ihm neue angenehme oder wenigstens befriedigende Erfahrungen verschaffte.
    Die Psychologin unterstrich auch den besonderen Charakter eines Selbstmords im Vergleich zu anderen psychischen Problemen: Der Selbstmord war in Finn-land immer noch tabu, man sprach nicht darüber, der Betreffende selbst und seine Angehörigen wurden un­ glücklicherweise als Kranke abgestempelt. Namentlich für die Angehörigen war der Selbstmord ein sehr folgen­ schweres Ereignis, eben wegen des Tabucharakters.
    Gleich nach dem Vortrag der Psychologin erhob sich ein junger Mann, der einen Käfig aus Eisendraht in der Hand schwenkte und um das Wort bat. Er habe eigene Erfahrungen gerade mit der Erlebnisunfähigkeit und damit, wie man sich mit Gottes Hilfe davon befreie.
    Oberst Kemppainen unterbrach ihn mit der Bemer­ kung, dass die Zeit der freien Diskussion nach dem Mittagessen komme. Damit musste der Mann sich vor­ erst zufrieden geben.

Das Mittagessen verlief ausgezeichnet. Anschließend verließen einige Teilnehmer die Versammlung, anschei­ nend reichte ihnen das bisher Gebotene. Die meisten blieben sitzen. Getränke wurden bestellt, man unterhielt sich lebhaft.
    Ein paar Journalisten und Fotografen hatten sich am Eingang der Gaststätte eingefunden, um etwas über die Versammlung in Erfahrung zu bringen. Also war doch ein Gerücht über ein mysteriöses Seminar zur Presse durchgesickert.
    Der Oberst erklärte, dass das Seminar privat sei. Man spreche über heranwachsende Mongoloide in der ländli­ chen Gemeinschaft, über ihre Probleme und deren Lösung in einer Situation, da sich die übrige Gesell­ schaft verstärkt auf die europäische Integration orientie­ re. Die Journalisten seufzten schicksalsergeben und zogen sich ohne weitere Fragen zurück.
    Dann begann die Diskussion, und das Seminar nahm einen ganz anderen Verlauf als bisher.
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    Die Seminarteilnehmer nutzten eifrig das gastronomi­ sche Angebot, Bier, Wein und auch härtere Getränke wurden an die Tische bestellt. Man wollte sich Mut antrinken. Während der offenen Diskussion hatte jeder die Gelegenheit, über seine Probleme zu sprechen, und das sogar durchs Mikrofon. Die meisten hatten jedoch Hemmungen, kalt lächelnd über den eigenen Tod zu reden.
    Wegen der hohen Teilnehmerzahl wurde die Redezeit auf fünf Minuten beschränkt. Die Zeit reichte aus, dass die leidgeprüften Menschen zumindest ganz grob ihre Situation umreißen konnten. Es ging lebhaft zu, in vielen Beiträgen wurden die Aussagen der Vorredner angesprochen, die Schwierigkeiten schienen allgemeiner Natur zu sein. Der Mann mit dem Eisendrahtkäfig, der sich vor dem Mittagessen zu Wort gemeldet hatte, be­ kam jetzt die Gelegenheit, seine Gedanken zu äußern. Er erzählte, dass er aus Tampere stamme und von Beruf Vermessungstechniker sei. Er sei über dreißig und habe bisher sehr ausschweifend gelebt. Er habe jahrelang in vielerlei Sünden geschwelgt. Trotzdem habe er stets gespürt, dass nicht alles gut und richtig sei. Er habe unbewusst an Erlebnisunfähigkeit gelitten. In diesem Sommer habe sich die Krise dann zu seelischer Not ausgewachsen. Er sei gläubig geworden und habe Gott um ein Zeichen, irgendeine besondere Mitteilung, gebe­ ten, dass auch er, der größte aller Sünder, in den Augen des Allerhöchsten Gnade finden würde.
    Das erhoffte Zeichen war jedoch ausgeblieben. Der Vermessungstechniker war immer mutloser geworden und hatte sich mit dem Gedanken an Selbstmord getra­ gen. In seinem Kummer war er in einer Sommernacht ziellos aufs Land gefahren und zufällig nach Lampi gekommen. Niedergeschlagen und in der Absicht,

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