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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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zu.«
    Der Oberst untersagte ihm, das Geld anzurühren. Es war für die Wahrung der Interessen der Selbstmörder bestimmt und durfte nicht als Honorar für die Organi­ sierung des Seminars angesehen werden. Zumindest er, der Oberst, würde nicht sterbende Menschen um ihr Geld betrügen.
    Aus dem Festsaal klang ziemlicher Spektakel herauf. Jemand hielt eine flammende Rede durchs Mikrofon, andere forderten Ruhe. Wieder andere fingen an zu singen, auch ein weinerliches Kirchenlied war zu hören. Dann ertönten Rufe nach den Organisatoren des Semi­ nars, sie sollten in den Festsaal zurückkehren und für Ordnung sorgen.
    »Wir müssen nach unten gehen«, entschied Helena Puusaari. »Wir können sterbende Menschen nicht sich selbst überlassen.«
    Rellonen fand, dass unten eher Betrunkene als Ster­ bende randalierten.
    Als die drei in den Saal traten, verstummte das Publi­ kum. Eine Frau mittleren Alters aus Espoo trat ans Mikrofon und schrie mit schriller Stimme:
    »Endlich kommen Sie! Wir haben hier den unumstöß­ lichen Beschluss gefasst, dass wir von nun an alles gemeinsam machen werden.«
    »Richtig!«, wurde aus verschiedenen Richtungen geru­ fen. Die Frau fuhr fort:
    »Wir sind Menschen, die viel durchgemacht haben, und die meisten von uns haben keine Hoffnung mehr. Ist es nicht so?«, kreischte sie und blickte auffordernd in die Runde.
    »Keinerlei Hoffnung!«, ertönte es einstimmig. »Jetzt ist der Moment der endgültigen Entscheidung
    gekommen. Jeder, der auch nur ein bisschen zögert, möge aufstehen und diesen Raum verlassen. Aber wir, die wir hier bleiben, werden zusammen sterben!«
    »Wir sterben zusammen!«, schrien die Menschen ek­ statisch.
    Etwa zwanzig Personen unter Führung des Käfigman­ nes standen auf und gingen stillschweigend aus dem Saal. Sie hatten es anscheinend nicht so eilig mit dem Selbstmord, oder sie wollten bei ihrer letzten Tat allein sein. Man wartete, bis sie draußen waren. Dann wurden die Türen geschlossen, und die erregte Versammlung ging weiter.
    Die Frau am Mikrofon zeigte wild auf Oberst Kemp­ painen.
    »Während Sie weg waren, haben wir beschlossen, Sie zu unserem Anführer zu wählen! Oberst, Sie haben die Pflicht, uns zu unserem endgültigen Ziel zu führen!«
    Jetzt griff ein alter Mann mit weißem Kinnbart und Brille zum Mikrofon. Er sagte, er sei Jarl Hautala, pen­ sionierter Beamter des Wasser- und Straßenbauamts, er sei verantwortlicher Ingenieur für die Straßeninstand­ haltung im Bezirk Südwestfinnland gewesen. Im Saal wurde es still, der Alte strahlte Autorität aus.
    »Sehr geehrter Oberst. Wir haben hier in der Tat leb­ hafte Gespräche über das Thema des Tages geführt. Wir sind zu dem einstimmigen Beschluss gelangt, dass diese verbliebene Gruppe zusammenbleibt und gemeinsam den Freitod sucht. Dafür hat jeder von uns seine eige­ nen Gründe, wie hier heute deutlich geworden ist. Unser Beschluss lautet, dass Sie, Oberst Kemppainen, das Kommando über unsere Gruppe übernehmen, und als Ihre Gehilfen bestimmen wir Frau Puusaari und Herrn Direktor Rellonen. Sie bilden zusammen eine Kommissi­ on, deren Aufgabe die praktische Verwirklichung unse­ res Ziels ist.«
    Der alte Ingenieur schüttelte Oberst Kemppainen, He­ lena Puusaari und Onni Rellonen die Hand. Das Publi­ kum erhob sich. Eine seltsame Andacht senkte sich über den Saal. Die endgültige Entscheidung war gefal­ len.
    9
    Sechzig Seminarteilnehmer, jeder Zehnte von denen, die auf die Annonce geantwortet hatten, erklärten am Ende ihre feste Absicht, sich umzubringen, und das gemein­ sam und gleichzeitig. Die drei Organisatoren waren entsetzt. Helena Puusaari versuchte die Selbstmordlust der Kerntruppe zu bremsen, aber ihr Appell fruchtete nicht. Oberst Kemppainen sah sich gezwungen, die Versammlung, die eine so schicksalhafte Wendung genommen hatte, aufzulösen.
    Das Publikum gehorchte nicht. Maßnahmen wurden verlangt. Die allgemeine Meinung war, dass sich die verbliebenen Seminarteilnehmer nicht mehr trennen, sondern als Gruppe zusammenbleiben sollten. Komme, was da wolle, und alle wussten, was kommen würde.
    Der Oberst blieb fest. Er erklärte, dass er später mit allen Kontakt aufnehmen werde. Das befriedigte die Leute nicht. Der Oberst musste versprechen, dass das nächste Treffen gleich am nächsten Morgen stattfinden würde. Kurz entschlossen sagte er, dass er am Sonntag­ vormittag um elf Uhr auf dem Senatsplatz am Denkmal Alexanders II. anzutreffen sei. Dort könne man in

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