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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Ecken her­ vor. Piippo kommandierte weiter, und einer nach dem anderen kamen die Nerze heraus. Sie gruppierten sich zu einer losen Figur auf dem Fußboden, schlugen lust-los Purzelbäume, einige der flinkesten trappelten nach oben auf den Boden und kamen, Tanzschritte nachah­ mend, wieder herunter.
    Piippo nahm einen alten Fahrradreifen in die Hand und befahl den Nerzen, hindurchzuspringen. Sie zeigten ihrem Trainer die scharfen Zähne und wollten durchaus nicht gehorchen. Piippo brüllte sie an, dann versuchte
    er sie wieder zu locken, aber die Tiere kamen nur sehr widerwillig näher. Schließlich bequemte sich etwa ein halbes Dutzend von ihnen, ihrem Herrn zu gehorchen, sie sausten zum Reifen und sprangen nachlässig hin­ durch. Einige sprangen in die falsche Richtung, und das führte zum Streit, die Nerze begannen untereinander zu raufen. Sie beruhigten sich erst, als Piippo Heringe an sie verteilte. Futter nahmen sie gern, jetzt waren sie alle wie der Blitz zur Stelle, auch jene, die kein einziges Kunststück gemacht hatten.
    Piippo beklagte, dass die Dressur arg missglückt war. Besonders nachdem seine Frau ihn verlassen hatte, legten die Nerze ein eigensinniges Verhalten an den Tag. Seine Frau war mit ein paar der gelehrigsten Tiere in Pori und anderen nahe gelegenen Städten bei verschie­ denen Anlässen aufgetreten, zum Beispiel bei Basaren und Warenhauseröffnungen. Sie war sehr populär ge­ worden. Nicht die Tiere hatten den Erfolg bewirkt, son­ dern das aufreizende Kostüm. Die Männer waren in hellen Scharen herbeigeströmt, um Frau Piippo und ihre Nerze zu sehen. Und was war geschehen? Sie hatte einen neuen Partner gefunden. Die Scheidung lief. Seine Frau hatte bei den Nerzen in der Scheune aufgehört und sich in Laitila mit einem Eierproduzenten zusammenge­ tan. Trat angeblich privat in ihrem Pelztanga vor den Männern von Laitila auf. So erzählten es jedenfalls die Leute.
    Der Zirkusdirektor hatte schließlich eingesehen, dass die kleinen Räuber einfach nicht das Zeug zu Zirkusar­ tisten hatten. Er hatte sich während seiner anderthalb­ jährigen Bemühungen hoch verschuldet, der Hof war mit Hypotheken belastet, Einkünfte hatte er nicht. Vergangene Woche hatte er seine unbelehrbaren Zöglin­ ge an einen benachbarten Züchter verkauft. Bald würde er sie abholen. Piippo war völlig blank, er war verbittert über seine pelzigen Schützlinge und wagte sich nicht einmal mehr in die Öffentlichkeit, weil immer jemand kam und unverschämte Reden über das Zirkusgeschäft und seine Probleme schwang.
    Seppo Sorjonen und Onni Rellonen schlugen ihm vor, sich den Selbstmördern anzuschließen. Eine Fahrt in den Norden täte ihm gut, damit er wenigstens für eine Weile aufhören könnte, an seine undankbaren Pelztiere zu denken. Erleichtert suchte Sakari Piippo seine Sa­ chen zusammen und stieg in den Bus.
    19
    Oberst Kemppainen und Helena Puusaari kamen in den frühen Morgenstunden in Jyväskylä an. Der Oberst führte seine Wohnung vor, ein geräumiges Appartement in einem mehrstöckigen Haus im Stadtzentrum. Auf der Matte im Flur lagen ein dicker Stapel Zeitungen und etliche Briefe. Kemppainen stieß die Zeitungen mit dem Fuß beiseite, sammelte die Briefe auf und trug sie ins Wohnzimmer. Er überlegte kurz, ob er sie öffnen und lesen sollte. Es waren Rechnungen, Dienstpost und Reklame. Der Oberst verspürte kein Interesse an seiner Post, er warf die Briefe ungeöffnet in den Papierkorb.
    Das Wohnzimmer war mit geerbtem Mobiliar in alt­ modischem Stil eingerichtet. An den Wänden hingen realistische Landschaftsgemälde. Hier und dort standen kleine Skulpturen. In der Bibliothek gab es eine Menge Bücher, vor allem Militärgeschichte und Befestigungs­ kunst, weniger Belletristik. An einer Wand hing eine Sammlung alter Schwerter. Der Oberst schämte sich ein wenig dafür, er erklärte Helena Puusaari, dass er kein Kriegsfanatiker sei und nicht für Hiebwaffen schwärme, aber bei einem Offizier sammle sich so etwas eben an.
    Das Schlafzimmer des Oberst war verdunkelt, er hatte es seit dem Tod seiner Frau nicht mehr bewohnt. Hier machte er das Bett für seinen Gast zurecht, er selbst zog sich ins Wohnzimmer zurück. Beide waren so müde, dass sie sofort einschliefen, waren sie doch innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden von Savonlinna durch Karjala nach Kotka, von dort nach Pori und an­ schließend nach Jyväskylä gefahren, und unterwegs hatten sie ein Grab besucht und an einer Beerdigung

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